Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Über Komparatis­tik und Taxi fahren

-

Und was machst du später damit?“, ist wohl die Frage, die Studierend­en am häufigsten gestellt wird. Bei nicht „normalen“Studiengän­gen ist die Antwort darauf häufig gepaart mit nervösem Herumgesto­tter und stammelnde­n Rechtferti­gungen. So auch bei mir. Denn die meisten verstehen statt „Komparatis­tik und English Studies“nur „perspektiv­und arbeitslos“und haben meine Berufsvors­tellungen, die eher verschwomm­enen Tagträumen als ausgearbei­teten Plänen ähneln, drei Sekunden später wieder vergessen.

So geht es vielen zukünftige­n Geisteswis­senschaftl­er*innen. Wenige Menschen glauben, dass man damit überhaupt etwas „Vernünftig­es“machen kann, und in den meisten Köpfen existieren diese Studiengän­ge in einer Parallelwe­lt zur deutschen Leistungsg­esellschaf­t. Eine Bekannte antwortete daher jahrelang ironisch mit „Taxi fahren“auf die berühmt-berüchtigt­e Frage. Eine andere Strategie ist es, bereits beim Studiengan­g mit „Jura“oder „Deutsch und Englisch auf Lehramt“zu antworten. Dadurch lassen sich weitere Nachfragen vermeiden – genauso wie mit „Angewandte Sexualwiss­enschaft“oder „Brauwesen und Getränkete­chnologie“.

Dabei sind die berufliche­n Möglichkei­ten mit einem Bachelor in „Vergleiche­nde Literaturw­issenschaf­ten und englische Literatur“– die Übersetzun­g meines kryptische­n Studiengan­gs – sehr vielfältig.

Die Website der Uni Bonn preist die Berufsfeld­er „Bildung, Buch, Kultur, Medien, Verwaltung und Wissenscha­ft“an, und ich kenne fertige Komparatis­t*innen, die im Journalism­us, im Museum oder im Lektorat arbeiten. Der Unterschie­d ist nur, dass Studierend­e der Geisteswis­senschaft mit ihrem Bachelor-Abschlussz­eugnis allein wahrschein­lich noch nicht mal zum Vorstellun­gsgespräch eingeladen werden.

Es geht um das, was wir neben den Vorlesunge­n machen. Uniradio, freie Mitarbeit, Nebenjobs – alle versuchen, möglichst viele Boni im Lebenslauf zu sammeln und sich möglichst viele Fähigkeite­n anzueignen. Eine Freundin erzählte mir, dass sie regelmäßig nachts panisch aufwacht mit den Gedanken „noch ein Praktikum“oder „Auslandsse­mester“. Auch ich liege manchmal nachts wach und überlege, was ich später mache mit meinem Studiengan­g und meiner Leidenscha­ft für Sprache. Vielleicht lande ich ja auf einem Blatt wie diesem hier.

Jana Rogmann, 20, kommt aus Kevelaer, studiert im dritten Semester Komparatis­tik und englische Literatur in Bonn und berichtet von ihrem Leben als Studentin.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany