Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
NRW sagt Termine mit Astrazeneca ab
Nach bisher sieben Thrombose-Fällen bei bundesweit 1,6 Millionen Impfungen prüfen Experten das Vakzin des britisch-schwedischen Herstellers. Manche Impfzentren in der Region reagieren mit Ersatzangeboten.
DÜSSELDORF Schwerer Rückschlag für die Impfkampagne: Nach Berichten über Blutgerinnsel setzt auch Deutschland den Einsatz des Impfstoffs von Astrazeneca aus. Man folge damit einer aktuellen Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Hintergrund sind Meldungen über Thrombosen (Blutgerinnseln) in Hirnvenen, die bei einzelnen Geimpften aufgetreten sind. Das PEI, das für die Überwachung der Impfstoffe zuständig ist, halte nach Meldungen von Thrombosen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung weitere Untersuchungen für notwendig, so Spahn.
Auch in den Impfzentren in Nordrhein-Westfalen, wo derzeit vor allem Rettungsdienstkräfte, Erzieher, Lehrer und Polizisten mit Astrazeneca geimpft werden, wird die Gabe nun gestoppt. Die bereits gelieferten Dosen sollen dort weiter gelagert werden. Bislang haben 346.000 Bürger in NRW eine Erstimpfung mit Astrazeneca erhalten. Mit der Ankündigung verändere sich natürlich die Planung, so die Kassenärztliche Vereinigung(KV)Westfalen-Lippe.
Nach Angaben des NRW-Gesundheitsministeriums können bereits vereinbarte Termine mit dem Impfstoff vorerst nicht stattfinden und würden von den zuständigen Stellen abgesagt, heißt es in einer Mitteilung. Zuvor hatten bereits zahlreiche Kreise, darunter Soest und Minden-Lübbecke, sowie die Stadt Duisburg den sofortigen Impfstopp verkündet. Die Impfzentren in Köln und Bonn reagierten mit einem neuen Angebot. „Impflinge, die sich am Montagnachmittag im World Conference Center Bonn befanden, wurden kurzfristig auf den Impfstoff Biontech/Pfizer umgebucht, wenn sie das wollten“, heißt es in einer Mitteilung der Stadt.
Seit Freitag haben bereits mehrere Länder, darunter Dänemark, die Niederlande, Irland, Dänemark, Norwegen und Island, die Verimpfung von Astrazencea ausgesetzt. Italien und Österreich stoppten die Verwendung von bestimmten Chargen. Die Europäische Arzneiagentur (Ema) sah bislang noch keine Hinweise darauf, dass die berichteten Blutgerinnsel durch die Impfung verursacht wurden. Sie hatte noch am Freitag erklärt, dass die Zahl der Thrombose-Fälle bei geimpften Personen nicht höher sei als in der Allgemeinbevölkerung. Auch Spahn betont, dass es sich bei der Aussetzung um eine Vorsichtsmaßnahme handle. Er verwies auf die Relationen: In Deutschland habe es bislang 1,6 Millionen Impfungen mit Astrazeneca gegeben. Bei sieben Geimpften sei es zu Thrombosen gekommen. Spahn bat Bürger, die vier Tage nach einer Impfung mit Astrazeneca starke Kopfschmerzen oder punktförmige Einblutungen haben, unverzüglich einen Arzt aufsuchen sollen. Er ließ offen, was mit Menschen wird, die bereits eine erst Impfung haben und deren zweite Impfung noch aussteht.
Astrazeneca spielt in der Impfstrategie der Bundesregierung eine große Rolle. 56 Millionen Dosen hat sich Deutschland gesichert, drei Millionen Dosen wurden bereits geliefert. Der Impfstoff des britischen Herstellers hat den Vorteil, dass er bei Kühlschranktemperaturen gelagert werden kann. Daher war er auch für den Einsatz in Arztpraxen und Unternehmen vorgesehen.
Asztrazeneca war zunächst wegen grippeähnlicher Nebenwirkungen ins Gerede gekommen. Sowohl das Paul-Ehrlich-Institut als auch die Ständige Impfkommission (Stiko) hatten stets betont, dass diese im Rahmen des Erwartbaren lägen. Erst vor Kurzem hatte die Stiko Astrazeneca auch in Deutschland für über 65-Jährige empfohlen. Auf die Frage, ob das Vertrauen in Astrazeneca überhaupt zurückkehren könne, sagte Spahn: „Wichtig ist Transparenz.“
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kritisierte: „Ich halte es für einen großen Fehler, jetzt die Impfungen mit Astrazeneca auszusetzen. Das schafft nur große Verunsicherung und Misstrauen in einer Situation, in der es auf jede Impfung ankommt. Besser wäre eine Prüfung bei laufenden Impfungen. Ich kenne keine Analysen, die ein Aussetzen rechtfertigen würden.“Das Risiko einer Thrombose liege bei eins zu 100.000 oder weniger und scheine im Vergleich zu Ungeimpften nicht erhöht zu sein, sagte Lauterbach unserer Redaktion.