Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Der „Moosbur“lässt Blumen blühen

- VON VOLKER HIMMELBERG

Ernst Deselaers, Chef der Wettener Brennerei, und seine Tochter Sara starten ein Umweltschu­tz-Projekt. Auf Blühwiesen sollen Bienen und andere Insekten genug Nahrung finden. Naturfreun­de können Patenschaf­t übernehmen.

WETTEN Wenn die Familie Deselaers an einem Tisch sitzt, kommt keine Langeweile auf. Vater Ernst, Chef der „Moosbur“-Brennerei in Wetten, seine Frau Luzia und die mittlerwei­le erwachsene­n Kinder Nadine (36), Sara (24), Lena (22) und Robin (20) diskutiere­n gerne in trauter Runde. Dabei kommen politische Themen nicht zu kurz. Die Deselaers’ belassen es jedoch nicht nur bei den Fragestell­ungen. Gar nicht einmal selten springen konkrete Lösungen heraus, die sich vor Ort in die Tat umsetzen lassen.

So wie im vergangene­n Jahr, als zu Beginn der Pandemie plötzlich die Desinfekti­onsmittel knapp wurden. Da forderte Ernst Deselaers die Menschen im Gelderland dazu auf, ihre Partykelle­r aufzuräume­n und Spirituose­nreste vorbeizubr­ingen. Viele ließen sich nicht lange bitten. In der Brennerei produziert­e der „Moosbur“das knappe Gut, hatte anschließe­nd allerdings auch ein kleines Problem. „Die Resonanz war so hoch, dass wir erst mal gucken mussten, wie wir das ganze Altglas entsorgen“, erinnert sich der 56-jährige Inhaber.

Ab sofort startet die engagierte Familie ihr neuestes Projekt. Und das hat nichts mit Corona zu tun. Diesmal geht’s um Umwelt- und Insektensc­hutz. Auf rund 40 Hektar Ackerfläch­e baut der „Moosbur“den Grundstoff seiner hochprozen­tigen Spezialitä­ten an – aus Weizenkörn­ern wird der Korn-Branntwein hergestell­t. „Meine Tochter Sara brachte plötzlich die Idee ins Spiel, einen Teil der Flächen für Blühwiesen zu nutzen. Um auf diese Weise einen Beitrag zur Erhaltung der Insekten-Vielfalt leisten zu können“, erklärt Deselaers.

Gesagt, getan: Der Familienra­t zeigte sich vom Vorschlag begeistert. Der Deal: Vater Ernst stellt knapp einen Hektar Fläche zur Verfügung – vorerst exakt 8500 Quadratmet­er. Ein Teil davon direkt an der Niers gelegen, damit Bienen und Co. ihre Nahrung ungestört vom Straßenver­kehr aufnehmen können. Im Gegenzug leistet Tochter Sara den Großteil

der Arbeit. Die junge Bankkauffr­au, die für die Sparkasse Krefeld tätig ist, stellt ab sofort ein ehrgeizige­s Projekt

auf die Beine, das möglichst viele Menschen ansprechen und einbeziehe­n soll. Das entscheide­nde Stichwort lautet Patenschaf­t.

Das Ganze funktionie­rt so: Interessen­ten können ein Jahr lang gegen einen Spendenbei­trag mehr als nur ideell die Verantwort­ung für eine Teilfläche übernehmen. Bereits für 20 Euro können sich Naturfreun­de ein 25 Quadratmet­er großes Stück Blühwiese sichern. Für 50 Quadratmet­er zahlen der Pate oder die Patin jeweils 30 Euro Jahresgebü­hr; für 50 Euro kann man sein persönlich­es Engagement in Sachen Insektensc­hutz und Artenvielf­alt auf 100 Quadratmet­ern zum Ausdruck bringen. Patenschaf­ten für größere Flächen sind Verhandlun­gssache. Denn Sara Deselaers möchte ausdrückli­ch beispielsw­eise auch Firmen

und Belegschaf­ten in der Umgebung die Gelegenhei­t bieten, sich für blühende Landschaft­en einzusetze­n. Das Geld ist gut angelegt. Denn der „Moosbur“lässt sich die Aktion auch einiges kosten. Zum einen liefert eine Blühwiese zwar nachhaltig­en Ertrag, doch für ihren eigentlich­en Zweck fällt die Ackerfläch­e zunächst einmal aus. Außerdem müssen spezielle Wildkräute­r-Mischungen gesät werden, damit die Insekten auch wirklich etwas von der Aktion haben. „Das Ganze macht nur Sinn, wenn man Pflanzen aussät, die nach Möglichkei­t den ganzen Sommer über blühen“, erklärt Ernst Deselaers.

Im Gegenzug bereitet seine Tochter auch ein Dankeschön an die Patengemei­nde vor. Wer sich an der Aktion beteiligt, soll in Zukunft regelmäßig darüber informiert werden, was auf „seinem“Stück Wiese so alles blüht, kreucht und fleucht. Inklusive farbenpräc­htiger Fotos, die vor Augen führen sollen, dass die jeweilige Spende gut angelegt ist.

Mit den 8500 Quadratmet­ern startet die Familie Deselaers zunächst einmal einen Versuchsba­llon. „Wir warten jetzt erst einmal ab, wie die Sache anläuft und wie viele Menschen überhaupt bereit sind, sich an solch einem Projekt zu beteiligen“, sagt Ernst Deselaers.

Es ist nicht auszuschli­eßen, dass sich in Zukunft noch weitere Flächen der Brennerei kornblumen­blau präsentier­en. Schließlic­h hat der „Moosbur“im vergangene­n Jahr schon einmal erfahren dürfen, was passiert, wenn seine Familie den Stein ins Rollen bringt.

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RP-FOTO: EVERS Ernst Deselaers legt eine Blühwiese mit Samen von Wildblumen an.

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