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Biden verkündet ehrgeizigeres US-Klimaziel
Der US-Präsident geht beim virtuellen Klimagipfel in die Offensive. Doch er muss viel Überzeugungsarbeit leisten.
WASHINGTON (rtr) Die USA melden sich im Kampf gegen den Klimawandel zurück und setzen sich unter dem neuen Präsidenten Joe Biden deutlich ehrgeizigere Ziele. Das Land wolle seinen Treibhausgas-Ausstoß bis 2030 im Vergleich zu 2005 mindestens halbieren, verkündete der Präsident bei dem von ihm initiierten virtuellen Klimagipfel. Es gehe um eine Kürzung zwischen 50 und 52 Prozent, teilte die Regierung mit. Später im Jahr wolle man – wie in Deutschland – auch Ziele für einzelne Sektoren wie Energie, Industrie oder Verkehr festlegen. Das alte Klimaziel stammte noch von Barack Obama. Es sah eine Minderung um 26 bis 28 Prozent bis 2025 im Vergleich zu 2005 vor.
WASHINGTON Zum Auftakt eines zweitägigen Klimagipfels in Washington hat US-Präsident Joe Biden sein Land auf neue Ziele verpflichtet. Demnach wollen die Vereinigten Staaten im Jahr 2030 die Hälfte weniger klimaschädliches CO2 ausstoßen, als dies 2005 der Fall war.
Biden hat den East Room, den Prunksaal des Weißen Hauses, gewählt, um sich als Gastgeber des virtuellen Kongresses in Szene zu setzen. Vor ihm ein riesiger Bildschirm, über den nach und nach die Gesichter von 40 Staats- und Regierungschefs flimmern. Neben ihm, an einem hufeisenförmigen Tisch, sitzt nicht nur der Außenminister Antony Blinken, sein wohl engster Vertrauter. Auch John Kerry hat dort Platz genommen, im Laufe seiner Karriere Senator, Präsidentschaftskandidat und Chefdiplomat, heute Sonderbeauftragter für den Klimaschutz. Ein Mann, der unter Amerikas Politikern wie sonst nur Al Gore als Pionier der Klimadebatte gilt. 1992 nahm er bereits an der bahnbrechenden Umweltkonferenz in Rio de Janeiro teil, der ersten, die das Thema Erderwärmung zentral auf die Tagesordnung setzte. Das alte Schlachtross im Rampenlicht: Das allein soll schon signalisieren, dass sich Washington nach der klimapolitischen Verweigerungshaltung unter Donald Trump zurückmeldet als seriöser Akteur internationaler Zusammenarbeit.
„Kein Land kann die Krise allein lösen“, sagt Biden in seiner Eröffnungsrede. Die Zeichen seien unverkennbar, die Erkenntnisse der Wissenschaft nicht zu bestreiten, die Kosten des Nichtstuns stiegen immer weiter. „Wir alle, besonders diejenigen unter uns, die die größten Volkswirtschaften der Welt vertreten, müssen zulegen.“Deshalb setze seine Regierung das Ziel, die Treibhausgasemissionen der USA bis zum Ende des Jahrzehnts zu halbieren. Damit sei man auf dem Weg, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen.
Was Biden anpeilt, ist ehrgeiziger als das, was Barack Obama zusagte, als er das Pariser Klimaabkommen unterzeichnete. Damals strebten die USA an, ihren Kohlendioxidausstoß bis 2025 um 26 bis 28 Prozent zu reduzieren. Unter Trump, der ClimateChange-Szenarien als Erfindung Chinas bezeichnete, erfunden, um der amerikanischen Wirtschaft zu schaden, folgte der Rückzieher. Der Ausstieg aus der Pariser Vereinbarung ging einher mit einer Weltsicht, in der Öl und Kohle die Energieträger der Zukunft waren. Ökostandards für Autos und Kraftwerke wurden abgesenkt, während die Umweltbehörde EPA Begriffe wie Treibhausgase und Klimawandel aus ihrem Wortschatz streichen musste.
Auf die Vorgeschichte geht Biden mit keinem Wort ein. Überhaupt spart er sich jede Polemik gegen seinen Amtsvorgänger, offenbar in der Absicht, die noch immer zahlreichen Anhänger Trumps nicht zu verprellen. Stattdessen beschwört er den ökonomischen Nutzen der ökologischen Wende. „Wenn die Leute vom Klima reden, denke ich an
Jobs“, sagt er. Wenn man aufgegebene Ölbohrungen sicher verschließe, sich um ausrangierte Kohlebergwerke kümmere, 500.000 Ladestationen für Elektroautos installiere, bedeute dies Millionen gut bezahlter Arbeitsplätze. Damit nennt Biden drei Punkte aus seinem zwei Billionen Dollar schweren Infrastrukturpaket, mit dem er einen Meilenschritt in Richtung klimagerechter Modernisierung zu gehen versucht.
Kernstück ist eine mit 400 Milliarden
Dollar bezifferte Kombination aus Subventionen und Steuergutschriften, mit deren Hilfe der Anteil erneuerbarer Quellen am Energiemix gesteigert werden soll. Kohleund Gaskraftwerke werden demnach durch Wind- und Solaranlagen ersetzt, auch Nuklearanlagen sollen eine Rolle spielen. Von 2035 an soll die Stromerzeugung frei von Klimagasen sein. Offen bleibt allerdings, ob der Kongress, der in Sachen Finanzen das letzte Wort hat, dem Projekt grünes Licht gibt.
Biden wird noch jede Menge Überzeugungsarbeit leisten müssen, nicht zuletzt bei skeptischen Parteifreunden, auf deren Stimmen er nicht verzichten kann. Etwa bei Joe Manchin, der den Kohlestaat West Virginia im Senat vertritt. Prominente Republikaner haben ihrerseits bereits klargestellt, wie wenig sie von der Klimaoffensive halten. Der Präsident gebe ein „drastisches“Versprechen ab, unter dem die eigene Wirtschaft nur leiden werde, während Gegner wie China oder Russland nach Gutdünken CO2 ausstießen, wettert John Barrasso, ein Senator aus Wyoming.
Der chinesische Staatschef Xi Jinping, am Donnerstag nach Biden und UN-Generalsekretär António Guterres der Dritte auf der Rednerliste, wiederholt lediglich, worauf sich sein Land schon zuvor verpflichtet hatte. Noch vor dem Jahr 2030 sollen die Kohlendioxidemissionen Chinas ihren Höchstwert erreicht haben und danach sinken, bis spätestens 2060 Klimaneutralität herrscht. Damit, betont Xi, habe man eine Zeitspanne ins Auge gefasst, die deutlich kürzer sei als das, was man zuvor in entwickelten Industrienationen erlebt habe.