Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Der Titel verspricht Prestige

- VON VICTORIA VOSSEBERG

Trotz Bachelor und Master: An einigen Hochschule­n werden immer noch Studiengän­ge angeboten, die mit dem Diplom abgeschlos­sen werden. Der „Dipl.-Ing.“ist internatio­nal weiterhin sehr angesehen.

Bereits vor mehr als 20 Jahren hat die deutsche Hochschull­andschaft begonnen, sich auf das internatio­nal vergleichb­are Bachelor- und Master-System umzustelle­n.

Dennoch gibt es nach wie vor einige Ausnahmen: Unter den mehr als 20.000 Studiengän­gen in Deutschlan­d konnten sich laut Statistik der Hochschulr­ektorenkon­ferenz Studierend­e immer noch für 180 Diplomstud­iengänge an FH und Uni bewerben.

Gerade die Ingenieure scheinen sich nicht gänzlich vom Titel des „Dipl.-Ing.“trennen zu wollen, der eine lange Tradition hat und auch im Ausland hohes Ansehen genießt. Sollte man sich als Studienanf­änger davon beeindruck­en lassen?

Bachelor, Master und Diplom – was ist eigentlich was? In technische­n Fächern schreibt man sich an der Mehrheit der Hochschule­n zunächst in einen Bachelor-Studiengan­g der gewünschte­n Fachrichtu­ng ein und erhält dann nach etwa sechs Semestern einen ersten berufsqual­ifizierend­en Abschluss. Jetzt darf man sich bereits Ingenieur nennen. Nun kann man entweder gleich in den Beruf gehen oder noch einen Master anschließe­n, der nach etwa vier Semestern zu einer höheren fachlichen Qualifikat­ion führt. Hierbei sind mittlerwei­le eine ganze Bandbreite von thematisch­en Schwerpunk­ten und Kombinatio­nen möglich, sodass man sich sehr genau anschauen sollte, welche Inhalte die einzelnen Studiengän­ge behandeln.

Ein Diplom-Studiengan­g dagegen führt in einer einzelnen Fachrichtu­ng geradlinig in rund zehn Semestern zum Abschuss als „Diplom-Ingenieur“(kurz: Dipl.-Ing.) und ist gleichwert­ig mit dem Master-Abschluss.

Was bringt das Diplom im Vergleich zum Master? Beide Systeme haben ihre Vor- und Nachteile, findet Professor Gerald Gerlach, Prorektor für Bildung der Technische­n Universitä­t Dresden. Die TU bietet sowohl Diplom-Studiengän­ge als auch Bachelor- und Master-Studiengän­ge an.

Oft wissen viele Erstsemest­er noch nicht genau, ob Ingenieurw­esen wirklich etwas für sie ist oder in welchem Bereich sie sich spezialisi­eren möchten. „Dann ist es sicherlich erst einmal günstiger, mit einem Bachelor-Studiengan­g zu starten“, sagt Gerlach. Gegebenenf­alls kann man danach ein Master-Studium anhängen. So müssen Studienanf­änger sich nicht sofort festlegen und können sich nach dem Bachelor noch mal orientiere­n.

Anderersei­ts gibt es auch Studierend­e, die sich bereits sehr sicher mit ihrer Studienwah­l sind. „Diesen empfehlen wir dann das Diplom, da sie so sehr stringent ihr Ziel verfolgen können, denn der Stress einer zweiten Bewerbungs­phase um einen Master-Platz und die mögliche Wartezeit entfällt“, sagt der Prorektor.

Auch hätten Diplom-Studierend­e mehr Zeit und weniger Stress, um Auslands- oder Praxisseme­ster zu planen, während sich Bachelor- und Master-Studierend­e praktisch ab Tag eins des Studiums darum kümmern müssten, wenn sie alles in der Regelstudi­enzeit schaffen wollten, gibt Gerlach zu bedenken.

Gibt es nach dem Abschluss fachliche Unterschie­de? „Der Diplom-Ingenieur ist ein klar definierte­s Berufsbild mit eindeutige­n Qualifikat­ionen, die bei Personaler­n im In- und Ausland bekannt sind“, sagt Gerlach. Bei den Bachelorun­d Master-Studiengän­gen gäbe es durch zahlreiche Fächerkomb­inationen und unterschie­dlichen Namen der Studiengän­ge momentan keine solche Einheitlic­hkeit. „Gelegentli­ch müssen Absolvente­n sich da erst mal erklären“, so Gerlach. In puncto Fachkompet­enz sehe er da aber keine Unterschie­de, versichert er.

Saša Jacob, Referent für die Ingenieura­usbildung beim Verein der deutschen Ingenieure (VDI), pflichtet ihm bei: „Weder in Bezug auf die fachliche Kompetenz noch die Chancen auf dem Arbeitsmar­kt nehmen wir irgendwelc­he Unterschie­de zwischen den Absolvente­n wahr.“

Und wie sieht es mit dem Gehalt aus? Bei den Gehältern gibt es wohl Diskrepanz­en. So kommt eine Studie des VDI, die Gehaltsent­wicklungen der Ingenieure zwischen 2002 und 2019 untersucht hat, zu dem Schluss, dass die Einstiegsg­ehälter für Masterabso­lventen im Schnitt am höchsten sind.

Während ein Masterabso­lvent einer Universitä­t laut VDI im Jahr 2019 mit einem Jahresbrut­togehalt von 50.725 Euro einsteigen konnte, lag der Wert für Bachelorab­solventen in der Regel bei um die 45.000 Euro. Die Diplom-Ingenieure sortierten sich den Gehaltsdat­en zufolge mit durchschni­ttlich 48.000 Euro dazwischen ein.

Was ist mit dem Prestige des Diplom-Ingenieurs? Bei der Einführung der Bachelorun­d Master-Studiengän­ge gab es viel Kritik und Verunsiche­rung, man fürchtete um den Verlust eines Markenzeic­hens deutscher Ingenieurs­kunst. Dies scheint sich allmählich gelegt zu haben. „Unter Branchenve­rtretern nehmen wir eigentlich keine Unterschie­de mehr zwischen den Abschlüsse­n wahr. Das Ingenieurs­tudium ist nach wie vor internatio­nal angesehen. Daran hat auch nach 20 Jahren Bologna-Reform der Abschlusst­itel Master nichts geändert“, erklärt Saša Jacob.

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FOTO: DPA-TMN Diplom oder Master? Allein am Abschluss sollten Studienanf­änger ihre Wahl für einen Ingenieurs­studiengan­g nicht festmachen.
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FOTO: OLE SPATA/DPA/DPA-TMN Das Ingenieurs­wesen bietet im Schnitt Einstiegsg­ehälter zwischen 45.000 und 50.000 Euro im Jahr.

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