Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Zukunftsbranchen brauchen viele gut ausgebildete Fachkräfte
Der Ingenieurberuf ist sehr aussichtsreich. Allein im Batteriebereich entstehen in Europa bis 2030 rund 220.000 Arbeitsplätze. Auch Digitalisierung und Dekarbonisierung erfordern ihre Kompetenzen.
Es ist eine der herausragenden Investitionen eines internationalen Unternehmens in Deutschland überhaupt: Der US-Autobauer Tesla investiert fast sechs Milliarden Euro für zigtausende Arbeitsplätze in seiner Gigafactory Berlin-Brandenburg. Unter anderem sucht das Unternehmen, das zu den größten der Welt gehört, händeringend Ingenieure und Fachleute, die bei der Produktion von Batteriezellen helfen sollen.
Das ist ein stark wachsendes Segment: Im Batteriebereich entstehen in Europa laut Schätzung des Beratungsunternehmens Capgemini bis zum Ende des Jahrzehnts 220.000 Arbeitsplätze, allein in Deutschland sollen im Batterieumfeld bis zu 100.000 Jobs bis 2030 geschaffen werden. Dazu passt eine andere Zahl: Bis 2025 will die EU imstande sein, jedes Jahr Batteriezellen für mindestens sieben Millionen Elektroautos zu produzieren.
Für die Weiterentwicklung in Zukunftssegmenten wie Elektromobilität, autonomes Fahren, erneuerbare Energien und umweltfreundliche Technologien allgemein werden entsprechende Fachleute benötigt. „Besonders in der Fahrzeugtechnik, Automatisierungstechnik, Energietechnik, Elektrotechnik und im Bauingenieurwesen fehlt es im Moment an Ingenieuren – aber auch in allen anderen Ingenieurdisziplinen werden mehr Spezialisten benötigt als vorhanden sind: Auf einen arbeitslosen Ingenieur kommen je nach Berufsfeld und Branche bis zu sechs offene Stellen“, heißt es beim Fachportal get-in-Engineering.de.
Auf dem Arbeitsmarkt für Ingenieure herrsche zwar kein sogenannter Ingenieurmangel mehr, aber es fehle eine große Anzahl an Spezialisten unterschiedlicher Fachrichtungen – und durch Trends wie KI oder die erneuerbaren Energien entstünden zusätzlich ständig neue Arbeitsplätze für Ingenieur-Absolventen: „In der Gesamtbetrachtung bietet der Arbeitsmarkt für Ingenieure gute Karrierechancen und hat mit 2,5 Prozent eine extrem niedrige Arbeitslosenquote. Die Nachfrage der Unternehmen an Fachkräften ist groß und die Anzahl an Beschäftigten im Ingenieurwesen steigt von Jahr zu Jahr an.“
Auf der anderen Seite meldet der VDI Verein Deutscher Ingenieure, dass die Corona-Pandemie den Ingenieurarbeitsmarkt gefährdet und deutliche Spuren in dem Bereich hinterlässt. Das zeigen die Zahlen für das vierte Quartal 2020 aus dem aktuellen Ingenieurmonitor, den der VDI mit dem Institut der deutschen Wirtschaft herausgibt. Im Vergleich zum Vorjahresquartal sei die Arbeitskräftenachfrage um rund 21 Prozent gesunken, während die Arbeitslosigkeit um 40 Prozent angestiegen sei. Daher sei die Situation insbesondere für jüngere Ingenieure mit auslaufenden Projektverträgen sowie Berufseinsteiger sehr angespannt.
Langfristig werde der Bedarf an Ingenieuren und Informatikern aber deutlich steigen, meldet der VDI auch. „Digitalisierung, Dekarbonisierung und der demografische Wandel führen dazu, dass mehr Fachleute mit diesen Kompetenzen benötigt werden.“
Zum Problem könnte der Kompetenzabbau in Mathematik und Naturwissenschaften werden: „Im Zuge der Corona-Krise kam es im Frühjahr 2020 und Winter 2020/21 zu insgesamt mehrmonatigen Schulschließungen. Erste internationale empirische Untersuchungen zeigen, dass erhebliche Verluste an Kompetenzen im Lesen und der Mathematik bei den Schülern resultieren dürften. In Deutschland, wo der digitale Fernunterricht im internationalen Vergleich vor der Corona-Krise sogar hinterherhinkte, ist zu vermuten, dass die Fortschritte bei den
PISA-Kompetenzen in Mathematik und Naturwissenschaften ohne zusätzliche unterstützende Maßnahmen wieder verloren gehen.“Mit sinkenden Kompetenzen dürfte laut VDI auch die Zahl der Studierenden in den Ingenieurwissenschaften und der Informatik langfristig abnehmen. In der Corona-Krise sei die Studienanfängerzahl bereits gesunken – auch dadurch bedingt, dass die Zuwanderung aus dem Ausland für ein Studium in Deutschland deutlich abgenommen hat.
Studien des McKinsey Global Institute oder der Bertelsmann-Stiftung stimmen ebenso optimistisch: Jobs, die technische Fertigkeiten erfordern, würden massiv zunehmen, heißt es. Insofern können sich Ingenieure auf die Zukunft freuen – und auf ein attraktives Gehalt: Laut der Plattform Ingenieur.de lagen die Brutto-Jahresgehälter von Ingenieuren durchschnittlich bei 61.100 Euro.