Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Gloria darf nicht getötet werden
Auch eine Umsiedlung der Wölfin kommt laut Gericht nicht infrage.
HÜNXE/DÜSSELDORF Gloria – schon der Name ist umstritten. Zu niedlich, zu freundlich, zu menschlich klängen diese sechs Buchstaben, etwa so, als spreche man von einer guten Freundin aus dem Chor. Das sei problematisch, warnte dereinst nicht nur der Landrat im Kreis Wesel, Ingo Brohl (CDU), sondern auch Stefan Steinkühler aus Schermbeck. Dass der Rechtsanwalt also lieber von GW954f als von Gloria spricht, hat einen einfachen Grund: Er will, dass Gloria verschwindet. Lieber tot als lebendig.
Aber die Wölfin Gloria, Pardon: GW954f, darf bleiben. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat am Donnerstag die Klage Steinkühlers, die er für den Hünxer Schäfer Kurt Opriel verfasst hatte, abgewiesen. Der beklagte Kreis Wesel als Untere Naturschutzbehörde sei nicht verpflichtet, das Tier zu entnehmen, wie es im Behördendeutsch heißt. Sprich: zu töten oder umzusiedeln.
Die Wölfin sorgt am nördlichen Niederrhein für hitzige Debatten. Die Wolfsbefürworter und die Wolfsgegner stehen sich größtenteils unversöhnlich gegenüber. Nutztierhalter wie Kurt Opriel fürchten um ihre Herden. Natur- und Umweltschützer betonen die Schutzbedürftigkeit des unter Naturschutz stehenden Wolfes. Im Wolfsgebiet Schermbeck ist GW954f seit 2018 nachgewiesen. Mittlerweile lebt dort ein Rudel – bestehend aus der Wölfin, ihrem Bruder GW1587m sowie einem gemeinsamen, einjährigen Welpen. Zwischen 90 und 140 Weidetiere soll allein die Wölfin zwischen Hünxe, Dinslaken und Schermbeck getötet haben – darunter 28 Schafe von Kurt Opriel.
Der Hünxer Schäfer, so argumentierte Anwalt Steinkühler vor Gericht, habe alles in seiner Macht stehende getan, um sich vor Wolfsrissen zu schützen, aber das reiche offenbar nicht aus. GW954f habe gelernt, 120 Zentimeter hohe Zäune zu überwinden und stelle so eine nicht abwendbare Gefahr für den Bestand seiner Herde da. Das Tier sei verhaltensauffällig, weshalb als letztes Mittel bloß bleibe, es zu töten oder in ein anderes Gebiet zu bringen.
Das nationale und europäische Recht stellt Wölfe unter einen besonderen Schutz. Nach dem Naturschutzgesetz dürfe eine Entnahme nur genehmigt werden, wenn keine anderen Mittel mehr ersichtlich sind, um einen ernsten Schaden für einen Tierhalter abzuwenden. Genau hieran hielt sich die 28. Kammer des Verwaltungsgerichts am Donnerstag auf. Sie befand, dass es nicht sehr wahrscheinlich sei, dass Opriel zukünftig ein solcher Schaden entstehe. Die Risse in seiner Herde hätten überwiegend 2018 und 2019 stattgefunden (Az.: 28K4055/20).
Es gebe Alternativen zur Tötung des Tieres. Dazu zählten Zäune und Herdenschutzhunde. Steinkühler argumentiert, dass es dem Schäfer nicht zumutbar sei, weitere Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Opriel und sein Anwalt waren mit der Entscheidung unzufrieden. Sie hätten sich mehr Klarheit gewünscht, ab wann ein Wolf als so problematisch gelte, dass er entnommen werden könne. Ob sie in Berufung gehen, wollen sie später entscheiden. Der Kreis Wesel sah sich in seiner Rechtsauffassung bestätigt. Landrat Brohl sagte, er hoffe, der Richterspruch trage zur Versachlichung bei.
Matthias Kaiser vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) hatte in der Verhandlung vermutet, selbst wenn man GW954f töte oder umsiedle, sei es bei der derzeitigen Dynamik in der Population wahrscheinlich, dass sich eine andere Wölfin zu dem Rudel gesellen würde.