Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Schwierige Zeiten für die Union
Der Machtkampf um die Kanzlerkandidatur wirkt nach. Das zeigen auch Umfragen.
BERLIN Oft sind es Kleinigkeiten, die den derzeitigen Unruhezustand in der Union beschreiben. Eine Stichelei hier, ein unbedachtes Wort dort, gern auch eine Überschneidung von Pressekonferenzen. Jüngstes Beispiel: Während CDU-Chef und Kanzlerkandidat Armin Laschet in Berlin davon spricht, Deutschland noch „deutlich vor dem Jahr 2050“klimaneutral zu machen, hatte CSUChef Markus Söder kurz zuvor in München bereits Klimaneutralität bis 2040 ausgerufen – mit Blick auf sein Bundesland. Laschet nannte den Vorstoß später diplomatisch einen „Vorschlag der Schwesterpartei“.
Geeinigt hat man sich schließlich anders, auf der Ebene der schwarz-roten Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Bis 2045 soll das Land klimaneutral werden, nächste Woche soll das ehrgeizige Projekt bereits ins Kabinett. Auch um – daraus machen Parteistrategen von Union und SPD keinen Hehl – den Grünen den Klimaschutz als Wahlkampfschlager auszutreiben.
Denn die jüngsten Umfragen jagen der Union Angst ein. Beim Umfrageinstitut Forsa blieben CDU/ CSU auch in der zweiten Woche nach der Nominierung von Annalena Baerbock und Laschet zu Kanzlerkandidaten auf dem zweiten Platz. Stärkste politische Kraft sind demnach die Grünen mit unverändert 28 Prozent. Die Union liegt mit schwachen 23 Prozent auf dem zweiten Platz. Eine Umfrage des Instituts Insa sieht die Union gleichauf mit den Grünen – bei 24 Prozent.
Nicht umsonst verschickte die CDU diese Woche eine dreiseitige Argumentationshilfe unter dem Titel „Kurzanalyse des Wahlprogramms Bündnis 90/Die Grünen“an die Bundestagsabgeordneten der Partei. „Die Grünen reden viel über Zukunft, aber sobald es in ihrem Programmentwurf konkret wird, bieten sie nur linke, kostenintensive Rezepte an“, heißt es. „Das erinnert an einen Fliegenpilz: Sieht schön aus, ist aber ungenießbar.“Das „moderate Auftreten“von Baerbock dürfe den
Gunther Krichbaum (CDU) Chef des Europaausschusses
Blick auf die Sache nicht verstellen: „Ihr Programmentwurf wäre kostenintensiv, lässt wichtige Fragen offen und hätte fatale Folgen für Deutschland.“
Es ist auch der Versuch, das harte Duell der beiden Parteivorsitzenden Laschet und Söder vergessen zu machen und nun auf den Angriff auf den politischen Gegner umzuschalten. Besonders die Bundestagsfraktion hatte der Machtkampf umgetrieben. Nun versucht man vehement, Einigkeit wiederherzustellen. Selbst jene, die sich offen und lautstark für Söder eingesetzt hatten, reihen sich ein.
Gunther Krichbaum (CDU) ist einer derjenigen, der während des offenen Machtkampfs mit seiner Unterschriftenliste für Aufsehen gesorgt hatte. Der Vorsitzende des Ausschusses für EU-Angelegenheiten setzte sich dafür ein, dass die Fraktion über den Kanzlerkandidaten abstimmen sollte, sprach sich selbst offen für Söder aus. Heute sagt er, die Wogen hätten sich „spürbar geglättet“, und nun sei es wichtig, dass sich alle hinter Kanzlerkandidat Laschet stellen. „Es ist jetzt müßig zu versuchen, das Rad zurückzudrehen.“
Dabei schwingt zugleich auch mit, dass so manch einer gerne noch einmal an diesem Rad gedreht hätte. Doch: „Es war auch Markus Söder selbst, der gesagt hat: Die Würfel sind gefallen. Dann können wir in der Fraktion schlecht die Würfel zurück in den Würfelbecher werfen.“Zugleich macht der Baden-Württemberger keinen Hehl daraus, dass der Machtkampf nicht spurlos vorübergezogen ist. „Es war ein aufreibender Prozess, keine Frage. Nach solchen Konflikten dauert es naturgemäß eine Zeit, bis sich die Lage wieder beruhigt“, sagt Krichbaum.
Telefoniert man mit Führungskräften der CDU in diesen Tagen, so tritt ein Wunsch immer deutlicher in den Vordergrund: Ein Signal der Einigkeit der beiden Männer an der Spitze der Unionsparteien soll es geben. Einen gemeinsamen Auftritt, die Präsentation eines gemeinsamen Wahlkampfteams. „Und das eher heute als morgen“, seufzt einer. „Zeit haben wir keine mehr.“
„Es ist jetzt müßig zu versuchen, das Rad zurückzudrehen“