Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Viel zu wenig Hausärzte in Kleve und Goch

Es droht eine Unterverso­rgung, mahnt die Krankenkas­se AOK und kritisiert die Kassenärzt­liche Vereinigun­g.

- VON MARC CATTELAENS

KLEVE/GOCH Die hausärztli­che Versorgung in Kleve und Goch verschlech­tert sich immer weiter. Wie aus dem aktuellen Gesundheit­sreport der Krankenkas­se AOK Rheinland/Hamburg hervorgeht, stehen beide Städte inzwischen sogar knapp vor einer Unterverso­rgung. Kleve hatte im Jahr 2020 einen Versorgung­sgrad von 80,7 Prozent, Goch einen Versorgung­sgrad von 88,5 Prozent. Ab einem Grad von 75 Prozent gilt ein Gebiet als unterverso­rgt, dann sind sofortige Maßnahmen einzuleite­n.

Von insgesamt 94 Regionen, in die die AOK ihren Versorgung­sbereich unterteilt, liegt Kleve bei den Hausärzten auf dem drittletzt­en Rang und Goch auf dem sechstletz­ten. Ebenfalls besorgnise­rregend: Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Situation noch weiter verschlech­tert: Im Jahr 2019 kam Kleve bei der hausärztli­chen Versorgung noch auf einen Wert von 85,3 Prozent (4,6 Prozentpun­kte mehr als im Jahr 2020) und Goch auf einen Wert von 89,1 (0,4 Prozentpun­kte mehr). Zum Vergleich: Vor allem viele große Städte im AOK-Gebiet schneiden deutlich besser ab: In Aachen liegt der Versorgung­sgrad bei 116,8 Prozent, in Hamburg bei 113,6 Prozent und in Bonn bei 113,2. Was die Fachärzte angeht – hier betrachtet die AOK nur Landkreise und kreisfreie Städte – gibt es im Kreis Kleve vor allem ein Problem mit Neurologen und Kinderärzt­en. So lag 2020 der Versorgung­sgrad bei Nervenärzt­en bei 92,4 Prozent und bei Kinderärzt­en bei 91,8 Prozent.

Enttäuscht zeigte sich AOK-Regionaldi­rektor Manrico Preissel, der im Januar die Nachfolge von Barbara Nickesen angetreten hatte, darüber, „dass alle Bemühungen, junge Ärzte in den Kreis Kleve zu holen, noch nicht den gewünschte­n Erfolg hatten“. Die Besetzung der von der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g (KV) geplanten Hausarztst­ellen sei unterdurch­schnittlic­h und in Kleve nun sogar auf 80,7 Prozent abgerutsch­t. „Bei der fachärztli­chen Versorgung weist der Kreis Kleve in allen Arztgruppe­n einen schlechten Versorgung­sgrad auf“, sagte Preissel.

Auch wenn die Zahlen sich zwar meistens über der 100-Prozent-Marke bewegen, sei das überhaupt kein Grund zur Zufriedenh­eit. „Die Zahlen beruhen auf einer veralteten Bedarfspla­nung der KV Nordrhein, die noch aus den 90er Jahren stammt. Die Realität sieht leider anders aus. Vor allem bei den Fachärzten ist im Kreis Kleve mit langen Wartezeite­n zu rechnen. Es muss noch einiges geschehen, bis das fachärztli­che Angebot dem tatsächlic­hen Bedarf entspricht“, sagt Servan Sayman, der Leiter Gesundheit­smanagemen­t der AOK Regionaldi­rektion Kreis Kleve Kreis Wesel. Er fordert, dass die KV ihre Bedarfspla­nung anpasst. „Gebiete mit guter ärztlicher Versorgung müssen gesperrt werden für Neuansiedl­ungen“, sagt er.

Regionaldi­rektor Preissel begrüßt es zwar, dass Landkreise die Ansiedlung

von Ärzten finanziell unterstütz­en. „Die geforderte örtliche Bindung ist mit zehn Jahren aber zu lang“, findet er.

Vergleichs­weise gering ist im Kreis Kleve die Anzahl öffentlich­er Apotheken: Mit 18,3 Apotheken auf 100.000 Einwohner liegt der Kreis Kleve auf dem vorletzten Platz. Unterdurch­schnittlic­h ist die Zahl der zur Verfügung stehenden Intensivbe­tten: Sie beträgt im Kreis Kleve 23 je 100.000 Einwohner. Zum Vergleich: In Bonn liegt die Zahl bei 89, in Essen bei 65 und in Köln bei 41. Schlusslic­ht ist der Kreis Viersen mit 11 Intensivbe­tten pro 100.000 Einwohner. Vergleichs­weise gut ist die Anzahl der ambulant tätigen Hebammen. Sie liegt im Kreis Kleve bei 26,4 je 1000 Geburten und damit knapp über dem Durchschni­ttswert.

 ?? RP-FOTO: MARC CATTELAENS ?? Von links: Manrico Preissel (Regionaldi­rektor), Maria Scheider, Ismet Kezer und Servan Sayman mit dem aktuellen Gesundheit­sreport.
RP-FOTO: MARC CATTELAENS Von links: Manrico Preissel (Regionaldi­rektor), Maria Scheider, Ismet Kezer und Servan Sayman mit dem aktuellen Gesundheit­sreport.

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