Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
KEVELAER Die Stadt rüstet sich für den Klimawandel.
Die Hochwasserkatastrophe hat noch einmal gezeigt, wie wichtig es ist, auf starke Regenfälle vorbereitet zu sein.
KEVELAER Die Unwetterkatastrophe hat noch einmal eindrucksvoll vor Augen geführt, dass mit solchen Extremereignissen immer öfter zu rechnen sein wird. „Umso wichtiger ist es, sich darauf rechtzeitig vorzubereiten“, sagt Bürgermeister Dominik Pichler. Die Marienstadt ist im vergangenen Jahr dem European Climate Adaption Award beigetreten. Dabei handelt es sich um ein Programm für Kommunen, die herausfinden wollen, welche Veränderungen vor Ort anstehen und wie sie auf den Klimawandel reagieren können.
Die aktuellen Ereignisse seien ein Anlass, noch zügiger als geplant mit den Überlegungen zu starten. Wichtig sei, genau festzustellen: Wo versickert in Kevelaer das Wasser, wo sind mögliche Überflutungsgefahren? Das Unwetter 2016 habe gezeigt, dass auch Kevelaer schnell betroffen sein kann. Damals war nach heftigen Regenfällen die Kläranlage in Sonsbeck übergelaufen, weite Teile von Kervenheim standen unter Wasser. Hätte es einen Tag länger geregnet, wären die Regenrückhaltebecken übergelaufen. Der Schaden wäre groß gewesen, so der Bürgermeister. Jetzt müsse dringend überlegt werden, was zur Klimaanpassung konkret in Kevelaer getan werden könne. Dazu gehöre, den Boden zu entsiegeln und zu überlegen, „wie gehen wir mit neuen Baugebieten um“, sagt Pichler. Wichtig sei, vor allem Retentionsfläche, also Überschwemmungsgebiete, zu schaffen. Hier sei an der Niers bereits eine Menge passiert.
Man müsse neben dem Starkregen, aber auch die Dürre im Blick haben. Auch darunter hätten die Kommunen zu leiden. Daher sei es wichtig, Grün in die Stadt zu holen und für Verschattung zu sorgen.
Themen, die nicht neu sind. Mit einem „Konzept zur Klimafolgenanpassung“hatte sich die Politik bereits vor zwei Jahren beschäftigt. Dabei war auch eine Reihe von Daten vorgestellt worden, die deutlich machen, wie die Kommune vom Klimawandel betroffen ist.
Temperatur und Sonnentage Die Durchschnittstemperatur betrug in der Region zwischen 1951 und 1980 9,8 Grad, in den Jahren 1981 bis 2010 bereits 10,5 Grad, was einem Anstieg um sieben Prozent oder 0,7 Grad entspricht. Laut Prognose wird die Durchschnittstemperatur bis 2100 um weitere zwei Grad zunehmen. Die Zahl der sogenannten Sommertage (mehr als 25 Grad) ist zwischen 1981 und 2010 bereits um bis zu 40 Prozent gestiegen auf 36 Tage (1951 bis 1980: 25 Tage). Diese Entwicklung
werde rasant fortschreiten. Experten gehen von einer starken Zunahme aus. Etwa 26 weitere Sonnentage werden bis 2100 hinzukommen. Ähnlich sieht es bei den heißen Tagen (mehr als 30 Grad) aus. Die Zahl ist im Vergleich zur Zeit vor 1981 auf 8 gestiegen (vorher 4). Diese Zahl soll sich bis zum Ende des
Jahrhunderts mehr als verdoppeln. Dann soll es 18 heiße Tage geben.
Frosttage Während die heißen Tage zunehmen, wird es im Gegenzug immer weniger Eis- oder Frosttage geben. Zwischen 1951 und 1980 gab es jährlich neun Eistage (ganztägig unter dem Gefrierpunkt), von 1981
bis 2010 waren es schon zwei weniger, bis 2100 sollen es noch mal sieben Tage weniger sein. Fazit: Es wird so gut wie keine Eistage in Kevelaer mehr geben. Die Zahl der Frosttage (teilweise unter dem Gefrierpunkt) ist von 56 Tage auf etwa 50 gesunken. Bis zum Ende des Jahrhunderts soll die Zahl weiter stark abnehmen. Dann wird es laut Prognose weniger als 20 Frosttage geben.
Folgen Im Sommer wird es immer schwieriger, dass sich Grundwasser neu bildet. Es entsteht die Gefahr, dass der Boden austrocknet. Dadurch steigt das Risiko auf Erosion des Bodens. Im Winter dagegen könnte es durch die Zunahme von Niederschlägen zu einer Übersättigung des Bodens kommen, das führe zur Verrottungsgefahr. Bereits jetzt steigt im Sommer die Waldbrandgefahr. Die Situation wird sich auch rund um Kevelaer weiter verschärfen. Gab es früher im Schnitt 21,5 Tage mit Waldbrandgefahr im
Jahr, sollen das bis 2050 38 Tage sein. Auch die Orkantage sollen um 40 Prozent steigen.
Maßnahmen Hier schweben den Verantwortlichen der Stadt eine ganze Reihe vor. Die Vorschläge gehen von Gefahrenkarten bis zu ganz konkreten Dingen vor der Haustür. So soll es Anreize geben, möglichst Flächen wieder zu entsiegeln und beispielsweise den Vorgarten zu begrünen. Auch sollten die Häuser entsprechend gegen Orkan oder Starkregen geschützt werden. In der Stadt können Dächer zunehmend begrünt werden, sinnvoll seien auch Wasserzwischenspeicher einmal als Trinkwasser, aber auch als Reserve für die Feuerwehren. Viel Wert solle auf Grün gelegt werden, das sei wichtig, um Schatten in der City zu spenden. Denn auf Dauer sei mit einer Aufheizung der Innenstadt zu rechnen. In diesem Zusammenhang gibt es die Anregung, auf Schließen von Baulücken zu verzichten.