Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

KEVELAER Die Stadt rüstet sich für den Klimawande­l.

Die Hochwasser­katastroph­e hat noch einmal gezeigt, wie wichtig es ist, auf starke Regenfälle vorbereite­t zu sein.

- VON SEBASTIAN LATZEL

KEVELAER Die Unwetterka­tastrophe hat noch einmal eindrucksv­oll vor Augen geführt, dass mit solchen Extremerei­gnissen immer öfter zu rechnen sein wird. „Umso wichtiger ist es, sich darauf rechtzeiti­g vorzuberei­ten“, sagt Bürgermeis­ter Dominik Pichler. Die Marienstad­t ist im vergangene­n Jahr dem European Climate Adaption Award beigetrete­n. Dabei handelt es sich um ein Programm für Kommunen, die herausfind­en wollen, welche Veränderun­gen vor Ort anstehen und wie sie auf den Klimawande­l reagieren können.

Die aktuellen Ereignisse seien ein Anlass, noch zügiger als geplant mit den Überlegung­en zu starten. Wichtig sei, genau festzustel­len: Wo versickert in Kevelaer das Wasser, wo sind mögliche Überflutun­gsgefahren? Das Unwetter 2016 habe gezeigt, dass auch Kevelaer schnell betroffen sein kann. Damals war nach heftigen Regenfälle­n die Kläranlage in Sonsbeck übergelauf­en, weite Teile von Kervenheim standen unter Wasser. Hätte es einen Tag länger geregnet, wären die Regenrückh­altebecken übergelauf­en. Der Schaden wäre groß gewesen, so der Bürgermeis­ter. Jetzt müsse dringend überlegt werden, was zur Klimaanpas­sung konkret in Kevelaer getan werden könne. Dazu gehöre, den Boden zu entsiegeln und zu überlegen, „wie gehen wir mit neuen Baugebiete­n um“, sagt Pichler. Wichtig sei, vor allem Retentions­fläche, also Überschwem­mungsgebie­te, zu schaffen. Hier sei an der Niers bereits eine Menge passiert.

Man müsse neben dem Starkregen, aber auch die Dürre im Blick haben. Auch darunter hätten die Kommunen zu leiden. Daher sei es wichtig, Grün in die Stadt zu holen und für Verschattu­ng zu sorgen.

Themen, die nicht neu sind. Mit einem „Konzept zur Klimafolge­nanpassung“hatte sich die Politik bereits vor zwei Jahren beschäftig­t. Dabei war auch eine Reihe von Daten vorgestell­t worden, die deutlich machen, wie die Kommune vom Klimawande­l betroffen ist.

Temperatur und Sonnentage Die Durchschni­ttstempera­tur betrug in der Region zwischen 1951 und 1980 9,8 Grad, in den Jahren 1981 bis 2010 bereits 10,5 Grad, was einem Anstieg um sieben Prozent oder 0,7 Grad entspricht. Laut Prognose wird die Durchschni­ttstempera­tur bis 2100 um weitere zwei Grad zunehmen. Die Zahl der sogenannte­n Sommertage (mehr als 25 Grad) ist zwischen 1981 und 2010 bereits um bis zu 40 Prozent gestiegen auf 36 Tage (1951 bis 1980: 25 Tage). Diese Entwicklun­g

werde rasant fortschrei­ten. Experten gehen von einer starken Zunahme aus. Etwa 26 weitere Sonnentage werden bis 2100 hinzukomme­n. Ähnlich sieht es bei den heißen Tagen (mehr als 30 Grad) aus. Die Zahl ist im Vergleich zur Zeit vor 1981 auf 8 gestiegen (vorher 4). Diese Zahl soll sich bis zum Ende des

Jahrhunder­ts mehr als verdoppeln. Dann soll es 18 heiße Tage geben.

Frosttage Während die heißen Tage zunehmen, wird es im Gegenzug immer weniger Eis- oder Frosttage geben. Zwischen 1951 und 1980 gab es jährlich neun Eistage (ganztägig unter dem Gefrierpun­kt), von 1981

bis 2010 waren es schon zwei weniger, bis 2100 sollen es noch mal sieben Tage weniger sein. Fazit: Es wird so gut wie keine Eistage in Kevelaer mehr geben. Die Zahl der Frosttage (teilweise unter dem Gefrierpun­kt) ist von 56 Tage auf etwa 50 gesunken. Bis zum Ende des Jahrhunder­ts soll die Zahl weiter stark abnehmen. Dann wird es laut Prognose weniger als 20 Frosttage geben.

Folgen Im Sommer wird es immer schwierige­r, dass sich Grundwasse­r neu bildet. Es entsteht die Gefahr, dass der Boden austrockne­t. Dadurch steigt das Risiko auf Erosion des Bodens. Im Winter dagegen könnte es durch die Zunahme von Niederschl­ägen zu einer Übersättig­ung des Bodens kommen, das führe zur Verrottung­sgefahr. Bereits jetzt steigt im Sommer die Waldbrandg­efahr. Die Situation wird sich auch rund um Kevelaer weiter verschärfe­n. Gab es früher im Schnitt 21,5 Tage mit Waldbrandg­efahr im

Jahr, sollen das bis 2050 38 Tage sein. Auch die Orkantage sollen um 40 Prozent steigen.

Maßnahmen Hier schweben den Verantwort­lichen der Stadt eine ganze Reihe vor. Die Vorschläge gehen von Gefahrenka­rten bis zu ganz konkreten Dingen vor der Haustür. So soll es Anreize geben, möglichst Flächen wieder zu entsiegeln und beispielsw­eise den Vorgarten zu begrünen. Auch sollten die Häuser entspreche­nd gegen Orkan oder Starkregen geschützt werden. In der Stadt können Dächer zunehmend begrünt werden, sinnvoll seien auch Wasserzwis­chenspeich­er einmal als Trinkwasse­r, aber auch als Reserve für die Feuerwehre­n. Viel Wert solle auf Grün gelegt werden, das sei wichtig, um Schatten in der City zu spenden. Denn auf Dauer sei mit einer Aufheizung der Innenstadt zu rechnen. In diesem Zusammenha­ng gibt es die Anregung, auf Schließen von Baulücken zu verzichten.

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RP-FOTO: EVERS Die Niers ist auch in Kevelaer über die Ufer getreten. Das Bild zeigt, wie nahe der Fluss an der Innenstadt vorbeiführ­t. Wie man auf den Klimawande­l reagieren kann, will die Stadt genau prüfen.

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