Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
„So eine Chance bekommt man nur einmal“
Seit 20 Jahren hat Bettina Hachmann ihr Atelier in Räumen von Schloss Wissen. Das ist ein Grund zum Feiern. Am 13. und 14. April kann ihr beim Arbeiten über die Schulter geschaut und gemeinsam ein Rückblick gehalten werden.
Wie sie das erste Mal über die Brücke des Schlossgrabens gekommen ist, das weiß sie noch ganz genau. Nebel lag über dem Wasser. Die Struktur, das Gesehene, findet sich in dem Bild wieder, das vor zwei Jahrzehnten in ihrem Atelier entstand.
Seit 20 Jahren ist sie nun auf Schloss Wissen in Weeze und arbeitet dort. Häufig großformatig sind die Bilder von Bettina Hachmann. Das Premierenstück misst 130 mal 220 Zentimeter. Sie kann sich an Stimmen erinnern, die sagten: „Warum machst du solche Sachen, die will doch keiner haben?“
Doch. „Aber die Leute kaufen es“, sagt Bettina Hachmann. Kann man denn von Kunst leben? Sie antworte dann immer gerne mit einer Gegenfrage. Dabei legt sie den Kopf leicht schief und schaut ihr Gegenüber an: „Wie kann kann man ohne Kunst leben? Ich glaube, dass Kunst und Ästhetik kein Luxus sind. Es hat was lebensnotwendiges und lebensbereicherndes.“
Nicht nur der morgendliche Nebel, den sie damals gesehen hat, fließt in ihre Arbeit ein. Sie liebt Strukturen und Muster. „Ich mache oft unzählige Fotos von Strukturen“, sagt sie. Verästelungen, das was die Natur so zu bieten hat. Sie sammelt, sagt sie, ähnlich wie die Maus Frederick im Kinderbuch Farben und Erinnerungen sammelt.
Sie spricht von Reduziertheit, skandinavischer Ästhetik, wenn sie ihre Bilder beschreibt. „Richtig bunt waren meine Arbeiten nie.“Dabei sind sie keineswegs farblos. Im Gegenteil. Das meiste spielt sich unter der Oberfläche ab. Gearbeitet wird in vielen verschiedenen Schichten. „Ich hatte ein großes Vorbild“, sagt sie und erzählt von ihrem Pflegevater Jan Vissers. „Er hat ganz altmeisterlich mit Ölfarben gemalt. Er arbeitet rückwärts, in Schichten. Erst am Schluss wird es zu dem, was man sieht.“Bei ihr ist das genauso.
Ostern vergangenen Jahres konnten Besucher ihr beim Arbeiten während der Gottesdienste in der Kirche in Veert zuschauen. Gemalt hat sie Donnerstag, Karfreitag und in der Osternacht. Schicht für Schicht wurde aufgetragen. Dann kam der Moment, als sie mit dem Messer in die Leinwand schnitt. Das tat körperlich weh. Überhaupt, ist das, was sie mit der Leinwand macht, körperliche Arbeit. Aber dann war da der Aspekt der Schönheit. In der Osternacht kam goldene
Farbe dazu. Bettina Hachmann spricht von Heilungsarbeit. Und davon erzählen auch ihre Bilder. „Ich glaube nicht, dass es Menschen gibt, die nicht mit der ein oder anderen Verwundung durchs Leben gehen.“Bestenfalls gehe es darum, die Verwundung zu integrieren oder sogar, dass sie zum Schatz wird, zu einem persönlichen Reichtum, wie die Erfahrung.
Absichtlich tragen ihre Bilder keine Titel. Was sie eint? „Ganz viele Kunden sagen, dass sie eine Ruhe ausstrahlen.“Auftragsarbeiten wird es bei ihr nicht geben, sagt Bettina Hachmann. Denn dafür komme der Prozess zu sehr aus ihrem Inneren. Die ersten Schritte seien kraftvoll, die Grundierung, und dann werde es immer stiller. Sie ist sich sicher: „Was wir als Künstler in die Arbeit hineinlegen, das bekommt der Betrachter auch zurück.“
Und das Atelier am Schloss? „Es ist so, dass Menschen Räume verändern aber auch Räume Menschen.“Sie ist Raphaël Freiherr von Loë zutiefst dankbar für die Möglichkeit dort arbeiten zu können. „So eine Chance bekommt man nur einmal im Leben“, so wurde Bettina Hachmann damals von ihren Kindern
ermutigt. Einzige Bedingung für das Atelier war: es nach außen zu öffnen. In den 20 Jahren hat sie viele Künstler und Kollegen eingeladen, es fanden Lesungen statt und Konzerte. Es gab immer wieder Formate, in denen Mensch und Kunst im Austausch waren. Und so soll es auch zur Feier am 13. und 14. April sein, wenn es eine Rückschau geben wird.