Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Frauenhaus nimmt weniger Frauen auf
Wenn Frauen häusliche Gewalt erleben, bleibt manchen nur die Flucht ins Frauenhaus. Im Kreis bietet die Awo einen solchen Schutzort. 2023 hat sie besonders wenige Frauen aufgenommen. Der Bedarf bleibt hoch.
Im vergangenen Jahr hat das Frauenhaus der Arbeiterwohlfahrt (Awo) im Kreis Kleve 20 Frauen und 22 Kinder aufgenommen. Das sind so wenige wie noch nie in der 42-jährigen Geschichte des Klever Hauses. Insgesamt haben 27 Frauen und 31 Kinder 2023 im Frauenhaus gelebt, wie aus dem Jahresbericht der Awo hervorgeht. Die Differenz zwischen aufgenommenen und insgesamt dort wohnenden Frauen ergibt sich daraus, dass einige Frauen über einen längeren Zeitraum, zum Teil über ein Jahr, Schutz in der Einrichtung suchen. Gleichzeitig ist dies auch der Grund, warum so wenige Frauen aufgenommen wurden: Die neun Zimmer für insgesamt neun Frauen und zwölf Kinder waren jeweils länger belegt, die Belegungsquote liegt bei 91 Prozent.
Zwar sind von den Frauen, die 2023 das Haus verlassen haben, vier wieder innerhalb einer Woche und drei innerhalb eines Monats ausgezogen. Genauso viele blieben aber bis zu drei Monate (3) und bis zu sechs Monate (4). Eine Frau hatte zum Zeitpunkt ihres Auszugs über ein Jahr in der Einrichtung gelebt. Gerade bei Frauen, die keine Deutschkenntnisse oder kein eigenes Einkommen haben, sei der Aufenthalt länger. Für sie seien sowohl viele Behördengänge, wie die Beantragung von Sozialleistungen, als auch die Wohnungssuche für eine neue Bleibe schwieriger. Einrichtungsleiterin Andrea Hermanns und ihre Stellvertreterin Nina Langner bemerken dabei, dass diese Faktoren auch zusammen wirken: Vermieter würden bei Personen ohne feste Arbeit und damit geregeltem Einkommen
seltener eine Wohnung geben. Für viele Termine brauche man zudem einen Dolmetscher, wodurch sich noch einmal Wartezeiten ergeben können.
Insgesamt bleibe der Bedarf an Schutzräumen für Frauen hoch, sagt Hermanns: „Wir haben sehr viele Anfragen und telefonische Beratungen.“Etwa 50 waren es im vergangenen Jahr – zusätzlich zu den Frauen, die sie aufgenommen haben. Einige habe sie auch an andere Frauenhäuser oder Beratungsstellen vermitteln müssen. „Ob tatsächlich alle Frauen aus den Beratungsgesprächen auch zu uns ins Haus gekommen wären, wissen wir nicht“, sagt Hermanns. Auch, ob sie berechtigt gewesen wären, ins Frauenhaus aufgenommen zu werden, ist dabei nicht abschließend geklärt.
Denn dafür muss eine Frau von häuslicher Gewalt betroffen oder bedroht sein. Andere Notzustände, wie
Obdachlosigkeit oder in der Vergangenheit Gewalt erlebt zu haben, sind kein alleiniger Aufnahmegrund. Wer den Rahmenbedingungen nicht entspricht, müsse seinen Aufenthalt im Frauenhaus mitfinanzieren. Die Tagessätze von Kreis und Kommunen, über die sich das Frauenhaus neben Spenden und der Förderung durch das Land finanziert, würden nur für Betroffene gezahlt. „Dass sie unter Umständen eine Rechnung bezahlen müssen, belastet viele noch einmal zusätzlich“, sagt Hermanns.
Hinter der Entscheidung, in ein Frauenhaus zu gehen, stehe ohnehin ein langer Leidensweg der Frauen, häufig entwickle sich die Gewalt zu Hause schleichend. Gerade wenn Kinder im Spiel sind, falle es sehr schwer, diesen Weg zu gehen. Schließlich nehme man Kinder aus ihrem gewohnten Umfeld, zieht unter Umständen in eine neue Stadt. Mit Kindern sei es auch schwieriger, sich langfristig vom Partner zu trennen und jeglichen Kontakt abzubrechen, weil der Vater häufig noch das Recht habe, seine Kinder zu sehen. Unabhängig der Frage, ob Kinder eine Rolle spielten, waren die Personen, die die Frauen misshandelt hatten, ihnen sehr nahestehende Menschen: In zehn Fällen war es 2023 der Ehemann, in acht der Partner, vereinzelt gaben die Frauen auch die eignen Eltern oder Schwiegereltern als Täter an.
Dennoch gingen fünf Frauen im vergangenen Jahr zurück in ihre alte Wohnung „Viele möchten auch glauben, dass sich der Partner ändert“, sagt Langner. Das sei aber nicht immer der Fall: Zehn der Frauen, die 2023 im Frauenhaus Schutz gesucht haben, waren bereits zum wiederholten Mal dort.