Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Im Griff krimineller Banden
Ein aktueller Bericht beschreibt die organisierte Kriminalität in der Europäischen Union. Auch am Niederrhein sind die Auswirkungen längst zu spüren. Vom Drogenhandel über Automatensprenger bis zu betrügerischen Anrufen.
Sie operieren im Drogenhandel, Automaten-SprengerMilieu oder als Teil der Betrugsmafia. 821 schwerkriminelle Netzwerke sind nach einem Bericht von Europol in der EU aktiv. „Das organisierte Verbrechen ist eine der größten aktuellen Bedrohungen für die Sicherheit der Bürger, unserer Kinder und Jugendlichen und der Demokratie durch Korruption und extreme Gewalt“, sagt EU-Innenkommissarin Ylva Johansson.
Der Niederrhein liegt mittendrin im Revier der organisierten Kriminalität. Das Hauptgeschäft ist der Drogenhandel. Jedes zweite Netzwerk ist darin verwickelt, vorwiegend geht es um Kokain, aber auch um synthetische Drogen und Cannabis. Den Kreis Kleve verbinden 137 Kilometer Grenze mit den benachbarten Niederlanden. Dort ist zum Beispiel die Mocro Mafia aktiv, eine gefährliche Drogenbande mit vorwiegend aus Marokko stammenden Mitgliedern.
Für die deutsch-niederländische Grenze im Kreis Kleve ist das Zollfahndungsamt Essen zuständig. Dessen Bilanz des Jahres 2022 zeigt die Ausmaße dessen, womit die Fahnder zu kämpfen haben: Von den insgesamt über 20.000 Ermittlungsfällen, die der deutsche Zoll 2022 verfolgt hat, wurden etwa die Hälfte vom Zollfahndungsamt Essen wegen zumeist schwerer oder organisiert begangener Straftaten geführt. Die Ermittlungen richteten sich gegen 11.049 Tatverdächtige. „Die Täter agieren konspirativ, schotten sich ab und nutzen vermeintlich sichere Kommunikations- und Schmuggelwege“, heißt es. Nach Ermittlungen durch Beamte des Zollfahndungsamtes Essen sprachen Gerichte im Jahre 2022 insgesamt Freiheitsstrafen von 571 Jahren und Geldstrafen von rund 535.095 Euro aus.
Auch an den immer wieder verübten Sprengstoff-Angriffen auf Geldautomaten ist spürbar, dass die Mitglieder der Organisierten Kriminalität am Niederrhein aktiv sind. Dort sind die Zahlen zwar zuletzt zurückgegangen: Insgesamt gab es im vergangenen Jahr 153 Sprengungen in Nordrhein-Westfalen. Im Jahr 2022 waren es noch 182. Man darf sich aber sicher sein: Die Banden verlagern ihre kriminellen Aktivitäten.
Eine weitere am Niederrhein bekannte Masche der skrupellosen Täter: Betrügerische Anrufe, oftmals mit Senioren als Opfer, um sie um große Teile ihres Hab und Guts zu bringen. Erst Anfang des Monats berichtete die Kreis Klever Polizei von einem Fall in Goch: Ein 83-Jähriger wurde demnach am Donnerstagnachmittag Opfer einer perfiden Betrugsmasche. Der Mann erhielt einen Anruf, durch den man ihn glauben ließ, sein Enkel hätte einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht und sitze nun in Untersuchungshaft. Die falsche Polizistin müsse nun mit der Staatsanwaltschaft eine Kaution festlegen und bat den Gocher, so viel Bargeld wie möglich zusammenzusuchen. Der 83-Jährige suchte einen niedrigen fünfstelligen Bargeldbetrag zusammen und steckte ihn in einen Briefumschlag. Als es an der Haustür klingelte, überreichte er wortlos den Umschlag an einen Unbekannten. Erst als sich der Rentner am Abend nach dem Wohlergehen seines Enkels erkundigte, fiel der Betrug auf.
Nur zwei Tage zuvor hatte es in Rees-Millingen einen ähnlichen Anruf gegeben, bei dem eine 82-Jährige Unbekannten einen Topf voller Wertsachen übergab. Die Polizei prüft, ob zwischen beiden Taten ein Zusammenhang besteht. Sicher ist: Hinter beiden stecken professionelle Banden, die immer wieder nach dem gleichen Prinzip agieren.