Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Die Spielemacher vom Niederrhein
Jan Waltereit und Simon Haberl erfinden seit 2018 Gesellschaftsspiele und andere Produkte, die vor allem ein Ziel haben: Sie sollen Menschen zusammenbringen. Ihre Firma sitzt in Wachtendonk.
Mit hartem Tobak fing es an. Im Jahr 2018 arbeitete Jan Waltereit noch bei Kaufland, Simon Haberl bei Rewe. Aber im Mail-Postfach von Waltereit landeten immer wieder Mails, in denen nach einem bestimmten Spiel gefragt wurde: „Harter Tobak“, das er zusammen mit Kommilitonen in Maastricht entwickelt hat, wo er „Entrepreneurship“studierte. Das Kartenspiel war angelehnt an „Cards against humanity“. Ein Spiel aus den USA, bei denen mit unterschiedlichen Karten möglichst witzige Sätze gebildet werden sollen – zumeist Sätze, die eher dem „schwarzen Humor“zugeordnet sind. Bei „Harter Tobak“ging es zudem darum, seine Mitspieler zu „roasten“, also möglichst kreativ zu beleidigen. „Typisch du: Schöne glänzende Lippen haben. Von Chipsfett“ist da zum Beispiel eine Möglichkeit. Oder man kann seiner besten Freundin vorwerfen, dass sie nach „Opossumarsch“riecht.
Das Spiel, das Waltereit 2014 im Studium entwickelt hat, kam also gut an – war aber schnell vergriffen, es wurden nicht viele Exemplare produziert. „Als dann eine Mail von Jägermeister kam, die eine Kooperation mit uns eingehen wollten, wurde die Motivation immer größer, das Spiel noch mal rauszubringen“, erzählt Waltereit. Er sprach seinen guten Freund Simon Haberl an – und die beiden machten sich an die Arbeit.
Sie gründeten 2018 das Unternehmen „Simon & Jan“und brachten „Harter Tobak“als Kartenspiel heraus. Anfangs mit 500 Exemplaren. „Die waren innerhalb von einem Monat weg“, erzählt Haberl. Beide merkten: Da geht was, es gibt einen Markt für Gesellschaftsspiele.
Jetzt, sechs Jahre später, haben „Simon & Jan“vier Mitarbeiterinnen. Gerade erst haben sie ein neues Lager im Gewerbegebiet Müldersfeld in Wachtendonk bezogen. Dort stapelt sich Palette auf Palette. Darauf liegen vor allem: Gesellschaftsspiele.
Mit dem Erfolg von Harter Tobak ging der Erfolg von „Simon und Jan“erst so richtig los. Sie erfanden neue Spiele. Zum Beispiel das Kartenspiel „Verkopft“. Hier geht es um ein Spiel, das sich dem sogenannten Stroop-Effekt bedient. Der Stroop-Effekt besagt, dass trainierte Handlungen nahezu automatisch ablaufen, während untrainierte Handlungen eine höhere Konzentration benötigen. Mit diesem Effekt spielt „Verkopft“. Auf einer Karte steht zum Beispiel das Wort „Grün“in lila Buchstaben, die Spieler müssen in dem Fall die Druckfarbe, also lila, sagen. Bei anderen Karten gibt es andere Regeln, klar aber ist: „Verkopft“spielt damit, „dass unser Gehirn Schwierigkeiten hat, Wörter und Farben zu trennen, wenn sie in Konflikt miteinander stehen“, wie „Simon & Jan“selbst auf ihrer Webseite schreiben.
„Die Inspiration für Spiele kommt meistens aus dem Alltag“, sagt Simon Haberl. Er zum Beispiel habe vom „Stroop-Effekt“gelesen und gedacht: Da kann man doch ein Spiel draus machen.
Haberl selbst hat in seiner gesamten Kindheit viel gespielt, online wie offline. Als er älter wurde, hat er vor allem Videospiele gespielt, die Brettspiele im Regal setzten immer öfter Staub an. Waltereit spielte auch in seiner Kindheit gerne, in seiner Jugend verlor er das alles ein bisschen aus den Augen. „Es gab damals kaum Spiele für Jugendliche, zumindest nicht für eine breite Masse“, sagt Haberl. Das wollen die beiden Gründer ändern. „Unsere Spiele sollen auch Jugendliche ansprechen“, sagen sie. Ihr wichtiges Rezept dabei: Zugänglichkeit.
Und tatsächlich zeigt eine kleine Proberunde „Verkopft“: Das Spiel ist wirklich sehr schnell zu lernen – und das Spielen macht Spaß. „Wir wollen, dass die Menschen wieder zusammenkommen. Analog, nicht online“, sagt Frederik Waltereit. „Die Menschen müssen auch nicht unbedingt das Gefühl haben, ein Spiel zu spielen. Es geht darum, ein Gemeinschaftsgefühl zu schaffen. Und das können Spiele wie kaum ein anderes Medium“, sagt Haberl.
Seit einigen Jahren entwickeln die beiden auch Spiele für Kinder. „Das ist noch mal was anderes. Es ist viel schwerer, sich in ein Kind hineinzuversetzen und ein Spiel aus dessen Sicht zu entwickeln“, sagt Waltereit. Ein Beispiel ist „Kuhmilchschafkäsefuß“, ein Konzentrationsspiel für Kinder ab sieben Jahren. Oder die KinderVersion von „Erzähl mir mehr“. Bei dem Kartenspiel geht es darum, dass die Kinder sich Fragen stellen – und daraus Gespräche entstehen. „Du kannst einen ganz neuen Planeten erschaffen. Wie sieht es dort aus“, ist eine der Fragen, eine andere lautet ganz simpel: „Wer ist mein bester Freund?“. Das Spiel „Erzählt euch mehr“gibt es nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene – und für Paare. „Das ist eigentlich kein klassisches Spiel. Man verbringt dabei einen Abend zusammen, redet miteinander. Und lernt im besten Fall sich und die anderen Personen besser kennen“, sagt Haberl.
Waltereit und Haberl haben sich nicht ausschließlich auf Spiele konzentriert. Vielmehr ist ihr Unternehmen inzwischen ein Unterhaltungsverlag, der viele verschiedene Produkte herausbringt. Ein Beispiel dafür ist das „Freundebuch für Erwachsene“. An sich ist es ein klassisches Freundebuch – die Fragen sind aber individuell. So kann die andere Person die gute Freundin, den guten Freund noch einmal besser kennenlernen. Und das Freundebuch, das viele vor allem aus ihrer Kindheit kennen, erfährt so auch eine Wiedergeburt im Erwachsenenalter.
Ihre Produkte verkaufen Waltereit und Haberl vor allem online, im stationären Handel stehen ihre Spiele aber auch. Zum Beispiel in Filialen des Buchhandelsriesen Thalia. „Wir haben wirklich von Anfang an sehr vom Online-Handel profitiert“, sagt Waltereit. Dadurch erst sind viele auf ihre Produkte aufmerksam geworden.
Aus der Jägermeister-Kooperation übrigens sei nichts geworden, erzählt Waltereit. Als sie „Harter Tobak“schließlich verkauften, habe Jägermeister kein Interesse mehr gehabt.
„Es geht darum, ein Gemeinschaftsgefühl zu schaffen. Und das können Spiele wie kaum ein anderes Medium.“Simon Haberl Gründer „Simon & Jan“