Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Strom aus der Kraft von Ebbe und Flut
Die Energie der Meere könnte man nutzen, um damit elektrischen Strom zu gewinnen. Etwa an den Küsten, wo die Gezeiten die Wassermassen stark bewegen.
Große Wellen schwappen an Land. Das Meer an der Nordsee ist kräftig in Bewegung. Einige Stunden später ist davon nichts mehr zu sehen: stattdessen nur matschiger Meeresboden, das Watt. Das Kommen und Gehen des Meeres nennt man Gezeiten oder auch Ebbe und Flut. Bei Flut steigt das Wasser an der Küste an. Bei Ebbe sinkt der Wasserstand. Beides dauert jeweils sechs Stunden. Diese Bewegung des Wassers wird vom Mond und auch von der Sonne beeinflusst. Dabei wirken verschiedene Kräfte: die Anziehungskraft des Mondes und der Sonne sowie die Fliehkraft der Erde, die sich um sich selbst dreht. Ungeheure Mengen Meerwasser bewegen sich deshalb überall auf der Welt und rund um die Uhr. So viel Kraft und so viel Bewegung bedeutet auch: viel Energie! Kann man die nicht nutzen? Tatsächlich gibt es schon lange die Idee von GezeitenKraftwerken. Sie könnten diese Energie in elektrischen Strom verwandeln. „Es gibt zwei Ansätze solcher Kraftwerke“, erklärt der Forscher Stefan Schimmels. „Man könnte einerseits ein großes Becken vor der Küste graben. Dort schwappt das Meerwasser bei Flut hinein. Bei Ebbe lässt man es durch Turbinen hindurch wieder ins Meer fließen.“Die Turbinen sind Maschinen, die man sich vorstellen kann wie riesige Fahrrad-Dynamos. Das fließende Wasser dreht die Laufräder in den Turbinen. Ihre Bewegung wird in elektrischen Strom verwandelt. „Eine andere Möglichkeit ist, diese Turbinen ohne Staubecken küstennah am Meeresboden zu verankern“, erklärt der Fachmann. Ein solches Kraftwerk entsteht gerade im Norden von Schottland. Insgesamt jedoch wurden bisher nur sehr wenige Gezeiten-Kraftwerke gebaut. Woran liegt das? „Einerseits ist die Strömung der Gezeiten nicht an jeder Küste stark genug und deshalb nicht geeignet“, erklärt Stefan Schimmels. „Vor allem aber muss die Technik dieser Kraftwerke unheimlich robust sein.“Die Bauteile müssen standhalten gegen das salzige Meerwasser, gegen Sand und Steine. Auch Fischer und Umweltschützer sind unter Umständen gegen solche Bauwerke. Durch bessere Gezeiten-Kraftwerke könnte die Wasserkraft eine viel größere Bedeutung für die erneuerbaren Energien bekommen, die beim Klimaschutz helfen.