Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Stummfilm über Kevelaer bei Netflix

Die Wallfahrt nach Kevelaer ist offenbar auch ein Thema, das die Kunden von Netflix fesselt. Der schwedisch­e Stummfilm über ein Wunder in der Marienstad­t ist im Angebot des Streamingd­ienstes.

- VON SEBASTIAN LATZEL

Der schwedisch­e Stummfilm über ein Wunder in der Marienstad­t und die Wallfahrt nach Kevelaer ist im Angebot des Streamingd­ienstes.

An manchen Stellen wird es unfreiwill­ig komisch. Ein Paar ist in einer Kirche zu sehen, es kniet und betet. Plötzlich springt der Mann auf, zeigt seine Beine, jubelt und wirft seine Krücke weit von sich. Geheilt durch die Kraft der Jungfrau Maria.

So soll es zumindest der Film zeigen, der um 1920 in Stockholm gedreht wurde. Und da das Werk ohne Ton produziert wurde, mussten die Schauspiel­er die Handlung pantomimis­ch besonders unterstrei­chen. Bei einem Wunder kann das dann schon mal etwas gewöhnungs­bedürftig aussehen.

„Vallfarten till Kevlaar“heißt der historisch­e Spielfilm über die Wallfahrt nach Kevelaer, der jetzt wieder ziemlich populär wird. Denn das Werk ist mittlerwei­le auch beim Streamingd­ienst Netflix zu sehen. Zwischen der biblischen Serie „The Chosen“und dem Drogen-Mehrteiler „El Chapo“wird der Stummfilm über Kevelaer als „Ähnlicher Titel“bei Netflix angepriese­n. 58 Minuten dauert das Werk, das vor gut 100 Jahren gedreht wurde. Mit großem Aufwand in der Hochzeit des Schwedisch­en Films. Die Vorlage für „Die Wallfahrt nach Kevelaer“(Schwedisch: „Vallfarten till Kevlaar“) ist das Gedicht von Heinrich Heine. Ein junger Bursche, der nach dem Tod seiner Geliebten krank darniederl­iegt, wird von seiner Mutter mit auf Wallfahrt zur Trösterin der Betrübten genommen.

Es kommt im Film zu dramatisch­en Szenen: Der Sohn opfert der Madonna ein Herz aus Wachs und bittet sie, seinen Herzschmer­z zu heilen. Als die Nacht hereinbric­ht, erhebt sich die Madonna von ihrem Altarbild, tritt an das Bett des Sohnes und legt ihre Hand auf sein Herz. Als die Mutter aufwacht, stellt sie fest, dass ihr Sohn in der Nacht gestorben ist, und sie lobt Maria für ihre Güte.

Nur konsequent also, dass Netflix den Film in das Genre „Drama“einordnet und ihm das Prädikat „emotional“verpasst.

In Stockholm wurde 1921 für die sehr aufwändige Produktion die Gnadenkape­lle am Filmset nachgebaut. Gedreht wurde damals auch an Original-Schauplätz­en in Köln und Kevelaer. Als Zusatzprod­ukt ist so der Dokumentar­film „Från Köln till Kevlaar“entstanden.

Für die Neuzeit wurde der Film 2018 vom Schwedisch­en Filminstit­ut digital restaurier­t und coloriert, Außenszene­n sind nun rosa, Innenaufna­hmen bernsteinf­arben.

Die Premiere der restaurier­ten Fassung fand im selben Jahr im Bonner Sommerkino statt, seitdem wurde der Film auch in Düsseldorf und Kevelaer gezeigt. In Kevelaer war der Film 2019 ganz passend in der Basilika aufgeführt worden. Elmar Lehnen begleitete den Stummfilm auf der Seifert-Orgel, Pastoralre­ferent Bastian Rütten war für den deutschen Begleittex­t verantwort­lich.

Er ist überrascht, dass der Film jetzt bei Netflix zu sehen ist. Einiges wirke aus heutiger Sicht sicher etwas ungewöhnli­ch. „Der Film ist nun einmal ein Kind seiner Zeit, man muss ihn sich auch mit den Augen von damals ansehen“, sagt der Theologe. Heinrich Heine werde auch nachgesagt, dass sein Wallfahrts-Gedicht auch durchaus ironisch gemeint sein könnte.

Auf jeden Fall sei es enorm, was für ein Aufwand für das Werk getrieben worden sei. Auch die Gnadenkape­lle wurde als Kulisse in Schweden nachgebaut. „Damit die Handlung in einem Stummfilm wirkt, mussten die Ausdrucksf­ormen überspitzt sein.“

Für ihn ist der Film ein Zeitdokume­nt, auch der Frömmigkei­t von damals. Denn auch das Verständni­s von Wallfahrt habe sich in den 100 Jahren geändert. „Damals standen noch Wunder und Heilung im Fokus des Pilgerns, heute geht es eher um pastorale Anliegen“, sagt der Pastoralre­ferent.

Es gehe darum, bei der Wallfahrt Trost zu finden, Kraft zu tanken. Die wenigsten würden heute erwarten, dass die kranke Mutter zuhause plötzlich gesund ist, weil jemand eine Kerze in Kevelaer angezündet hat.

 ?? FOTO: SCREENSHOT NETFLIX ?? Das Werk „Vallfarten till Kevlaar“ist inzwischen auch bei Netflix zu sehen.
FOTO: SCREENSHOT NETFLIX Das Werk „Vallfarten till Kevlaar“ist inzwischen auch bei Netflix zu sehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany