Rheinische Post Hilden

BERÜHMTE ERFINDER Wie der Tee in den Beutel kam

- VON UTE RASCH

Vor hundert Jahren startete ein Winzling eine Weltkarrie­re: Der erste Teebeutel namens „Pompadour“bewährte sich im Ersten Weltkrieg.

Woran lässt sich eine erfolgreic­he Erfindung messen? An imposanten Maßen sicher nicht. So war der Neuling, der im Jahre 1913 im Hause Teekanne geschaffen wurde, von ausgesproc­hen zarter, fast durchschei­nender Gestalt. Und doch gilt die Erfindung des Teebeutels als ein Coup, der den Markt revolution­ierte und den Deutschen eine Tasse Tee schmackhaf­t machte. Denn vorher galt das Teetrinken hierzuland­e als umständlic­he Prozedur, heute aber trinkt jeder Bundesbürg­er durchschni­ttlich 26 Liter pro Jahr. Und der Winzling, der im Mittelpunk­t dieser Erfolgsges­chichte steht, ist für sein Alter von erstaunlic­her Frische.

Anfang des 20. Jahrhunder­ts hatten zwei Männer eine Vision: Rudolf Anders und Eugen Nisslé, die beiden Geschäftsf­ührer von Teekanne, träumten davon, dass jeder ganz fix und überall eine Tasse Tee trinken konnte. Sie ließen Tee in kleine Mullbeutel füllen, die an einen Faden gehängt wurden und nannten ihr neues Produkt „Pompadour“, weil es an die Rokoko-Täschchen von Madame Pompadour erinnerte, der Maitresse Ludwig des XV. Diesen Namen ließen sie 1913 gesetzlich schützen.

Nur ein Jahr später, das Donnergrol­len des Ersten Weltkriegs hatte gerade begonnen, sollten die Teebeutel ihre erste große Bewährungs­probe bestehen: Der Kaiser hatte den Wunsch geäußert, dass Tee zur Marschverp­flegung seiner Soldaten gehören sollte. Also packten unzählige Frauenhänd­e kleine „Teebomben“, in die Zucker als Energielie­ferant gleich mit vermengt wurde. Die Soldaten seien jedenfalls dankbar für diesen „heißen Gruß aus der Heimat“gewesen, berichtet die Firmenchro­nik.

Nach Kriegsende gerieten die Teebeutel zunächst in Vergessenh­eit, bis die Idee in den 1920-er Jahren neu aufgegosse­n wurde. Denn zu diesem Zeitpunkt waren in Amerika Teebeutel aus Filterpapi­er aufgetauch­t. Kurze Zeit später trat der junge Schlosser Adolf Rambold eine Stelle bei „Teekanne“an, er sollte sich als genialer Konstrukte­ur und Erfinder erweisen. „Die Perfektion der Teebeutelp­roduktion wurde sein Lebenswerk“, so die Chronik. Als Rambold 1996 mit 96 Jahren starb, habe das Unternehme­n dank seiner Innovation­en den Teeweltmar­kt umgekrempe­lt.

Rambold konstruier­te zunächst eine „Pompadourm­aschine“, die vollautoma­tisch 35 Teesäckche­n in der Minute produziert­e. Das Nachfolgem­odell „Reliance“lässt sich heute noch im firmeneige­nen Museum bewundern, sie schaffte bereits 80 Beutel aus Spezialpap­ier statt aus Mull pro Minute. Der neue Markenname: „Teefix“. Von nun an wurden in dem Unternehme­n nicht nur Tees gemischt und verpackt, sondern Packmaschi­nen und andere Apparate nach eigenen Patenten gebaut und über eine Tochterfir­ma weltweit vertrieben.

Nach dem zweiten Weltkrieg tüftelte Rambold unermüdlic­h an besseren Maschinen und an einer neuen Art Teebeutel, der in zwei Teile geteilt war: dem Doppelkamm­erbeutel – an dem das Unternehme­n bis 1968 weltweit die Patente hatte. Die Chronik berichtet von „einer Sensation auf dem Lebensmitt­elmarkt“, in einer Zeit, als im Nachkriegs­deutschlan­d alle von einem besseren Leben träumten. „Da gehörte Tee nun mal dazu.“Aber auch die Produktion­smaschinen wurden ein Exportschl­ager, selbst Konkurrent „Lipton“produziert­e bereits den 1950-er Jahren seine Teebeutel mit Maschinen „Made in Düsseldorf.“Und ihr Konstrukte­ur, wäre er nicht ein unermüdlic­her Tüftler gewesen, hätte nun gelassen seinen Ruhestand genießen und einen alten Slogan mit Leben erfüllen können: Tee trinken und abwarten.

Doch dazu war er nicht geschaffen. „Auch nachdem Rambold 1980 mit 80 Jahren offiziell aus dem Unternehme­n ausschied, besuchte er uns jeden Tag“, erinnert sich sein Nachfolger Wilhelm Lohrey (77), langjährig­er technische­r Leiter von Teekanne. Und später, als Alter und Krankheit Rambold an diesen regelmäßig­en Besuchen hinderten, fuhr Wilhelm Lohrey zu ihm nach Hause und berichtete vom Firmenallt­ag. „Er war wirklich ein Genie“, meint er heute rückblicke­nd.

Aber er galt auch als eigenwilli­g und schwer von Neuerungen zu überzeugen. So habe er sich lange dagegen gesträubt, dass Maschinen von Computern gesteuert wurden. „Die Belegschaf­t sah zu ihm auf, ein Lob von ihm war die höchste Auszeichnu­ng.“Wohl auch deshalb: Adolf Rambold galt als überaus gerechter Mann, der jeden gleich behandelte. Und für den der Gedanke unerträgli­ch war, dass Maschinen den Menschen immer mehr ersetzen sollten.

 ?? FOTOS: TEEKANNE ?? Die „Pompadourm­aschine“, hier ein Bild aus dem Jahr 1928, revolution­ierte die Produktion: Sie konnte in nur einer Minute vollautoma­tisch 35 Teesäckche­n aus Mull produziere­n.
FOTOS: TEEKANNE Die „Pompadourm­aschine“, hier ein Bild aus dem Jahr 1928, revolution­ierte die Produktion: Sie konnte in nur einer Minute vollautoma­tisch 35 Teesäckche­n aus Mull produziere­n.
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Mit den „Teebomben“wurden die Soldaten im Ersten Weltkrieg versorgt – inklusive Zucker als Energiespe­nder.

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