Obama resigniert nach jüngstem Amoklauf
Nach dem Blutbad am Community College in Oregon mit zehn Toten lässt der US-Präsident seinem Frust freien Lauf. Seine Reaktionen auf derartige Massaker seien mittlerweile Routine – und die Waffenlobby nach wie vor uneinsichtig.
ROSEBURG Mal klingt er zornig, mal fast schon resigniert. Als Barack Obama nach dem Blutbad in Oregon an einem Pult im Weißen Haus steht, gibt er sich kaum Mühe, seine Emotionen zu verbergen. Irgendwie sei das alles Routine geworden, klagt er. „Das Berichten darüber ist Routine. Meine Reaktion auf diesem Podium wird zur Routine. Genau wie die Gespräche, die wir hinterher führen.“
Derart wütend – und zugleich frustriert, ja niedergeschmettert – haben die Amerikaner ihren Präsidenten selten erlebt. Stunden zuvor war ein College im Pazifikstaat Oregon zum Schauplatz eines Blutbads geworden, das Umpqua Community College am Rande der Kleinstadt Roseburg. Wie betäubt nehme die Nation einfach hin, dass es alle paar Monate zu einem solchen Massaker komme, sagt Obama. Gewiss, die USA seien nicht das einzige Land, in dem Leute mit mentalen Problemen anderen Schaden zufügen wollten. Jedoch seien sie das einzige entwickelte Land, in dem sich eine Schießerei mit einer Vielzahl an Opfern an die andere reihe.
Sicher würde ihm die Waffenlobby wieder ankreiden, dass er das Thema politisiere, er sehe ihre Statements schon. „Aber das ist etwas, was wir unbedingt politisieren sollten“, betont Obama und fordert die Medien auf, zwei Listen nebeneinanderzustellen. Die eine mit Namen jener Amerikaner, die bei Terroranschlägen starben, die andere mit Namen derer, die bei Schießereien ums Leben kamen. Dass die zweite deutlich länger ausfällt, braucht er nicht auszusprechen.
In Roseburg wurden neun Menschen getötet und sieben verletzt, bevor herbeigeeilte Polizisten den Amokläufer erschossen. In einem Hörsaal, so erzählt es der Vater einer verwundeten Studentin, habe der Schütze die am Boden Kauernden der Reihe nach aufgefordert aufzustehen – und gefragt, ob sie Christen seien. Auf ein Ja soll er geantwortet haben: „Gut, dann wirst du Gott in ungefähr einer Sekunde sehen.“
Eine Polizeibehörde identifizierte den Täter als einen 26-Jährigen namens Chris Harper Mercer. Er besaß 13 Waffen. Sechs davon habe man am Tatort entdeckt und sieben bei ihm zu Hause, sagte Celinez Nunez von der zuständigen Bundespolizei ATF. Alle Waffen seien in den vergangenen drei Jahren legal gekauft worden. Die Armee teilte mit, Mercer habe 2008 die militärische Grundausbildung nicht bestanden.
Über sein Motiv herrscht zunächst Rätselraten, auch wenn mancher in Internetforen Spuren zu entdecken glaubt. Dort ließ Mercer, falls die Einträge denn echt sind, Sympathien für die Irish Republican Army, eine der Untergrundarmeen des nordirischen Bürgerkriegs, erkennen. Der Sheriff von Roseburg wiederum weigert sich, den Namen des Angreifers auch nur in den Mund zu nehmen. Er werde ihm nicht auch noch öffentliche Aufmerksamkeit schenken für einen entsetzlichen Akt der Feigheit, begründet John Hanlin seine Entscheidung.
Derselbe Sheriff hatte vor knapp drei Jahren in einem Brief an Joe Biden vor restriktiveren Waffengesetzen gewarnt. Nach der Gewaltorgie in der Sandy-Hook-Schule in Newtown, einem Massaker mit 26 Toten, leitete der Vizepräsident eine Arbeitsgruppe, die lange versäumte Reformen durchsetzen wollte. Den Kongress versuchte sie von der Notwendigkeit schärferer Paragrafen zu überzeugen, skeptische Republikaner ebenso wie zögerliche Demokraten.
Bestimmte Sturmgewehre sollten ebenso verboten werden wie Magazine mit mehr als zehn Patronen. Die Personaldaten eines jeden Waffenkunden wollte die Taskforce fortan mit einer Zentralkartei abgleichen lassen, damit Vorbestrafte oder psychisch Kranke keine Gewehre oder Pistolen mehr erwerben könnten. Härtere Auflagen wären eine „indiskutable Beleidigung des amerikanischen Volkes“, protestierte damals Sheriff Hanlin.