Volle Kassen in Bund und Land
Sowohl NRW als auch der Bund haben im Haushaltsjahr 2016 überraschend Überschüsse gemacht. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht Spielräume für Steuersenkungen.
DÜSSELDORF Die CDU will für die nächste Wahlperiode Steuererhöhungen grundsätzlich ausschließen. Das geht aus dem Entwurf der „Saarländischen Erklärung“für die Vorstandsklausur im Saarland hervor, der unserer Redaktion vorliegt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hält sogar Steuersenkungen für möglich. Hintergrund sind die neuerlichen Rekordüberschüsse in den Haushalten von Bund und Ländern. So ist NRW erstmals seit 1973 im vergangenen Jahr ohne neue Schulden ausgekommen. Statt der geplanten Neuverschuldung von 1,8 Milliarden Euro präsentierte NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) gestern bei der Vorlage des Jahresabschlusses einen Überschuss von 217 Millionen Euro.
Im Bund stand unter dem Strich ein Plus von 6,2 Milliarden Euro. Geplant war eine schwarze Null. Ursache für den Geldsegen war die gute Konjunktur 2016. Die Wirtschaft wuchs um 1,9 Prozent. Walter-Borjans sprach von einem „Meilenstein“, sah aber keinen Anlass zu Euphorie. Welche Auswirkungen der Haushalt 2016 auf seine Planung für das nächste Jahr habe, für das zuletzt 1,6 Milliarden Euro neue Schulden geplant waren, müsse erst berechnet werden. Ab 2020 verbietet die Schuldenbremse NRW neue Schulden.
Etliche Politiker forderten gestern, mit einem Teil des Geldes die Infrastruktur zu stärken. Schäuble kündigte in der „Süddeutschen Zeitung“für die kommende Legislaturperiode einen grundlegenden Umbau des Steuersystems an. Es sei „möglich und notwendig“, die Steuern zu senken. Die Union will der „Saarländischen Erklärung“zufolge Spielräume im Haushalt für die Unterstützung von Familien, für Investitionen in die Infrastruktur, für Schuldentilgung und für höhere Verteidigungsausgaben nutzen.
Die Überschüsse wurden trotz der Kosten der Flüchtlingskrise möglich, weil geringere Ausgaben etwa für Zinsen und die Steuermehreinnahmen dagegen standen. Der Bund zahlte allein für die Erstattung von Flüchtlingskosten rund neun Milliarden Euro an Länder und Kommunen. Ein erheblicher Teil des Bundes-Überschusses ist darauf zurückzuführen, dass die Länder bereitgestellte Investitionsmittel nicht abgerufen haben – was aus Sicht von Finanzexperten belegt, dass die Planungsprozesse in den Ländern nicht funktionieren. Auch NRW konnte bereitgestellte Gelder für den Straßenbau nicht abrufen.
SPD und Grüne im Landtag werteten den Haushaltsabschluss von Walter-Borjans als einen Beleg für dessen solide Haushaltsführung. Die Oppo- sition hatte dem Finanzminister zuvor mehrfach vorgeworfen, mit unrealistisch hohen Steuereinnahmen kalkuliert zu haben – am Ende übertrafen die Einnahmen aber den Plan. Walter-Borjans räumte ein, dass der positive Abschluss das Ergebnis glücklicher Umstände und nicht eigener Sparerfolge sei. Er bestritt auch, dass es noch Sparpotenziale gibt.
CDU und FDP werfen Walter-Borjans vor, den Haushalt trotz der guten Lage geschönt zu haben. So habe der landeseigene Baubetrieb BLB eine vorgezogene Sonderzahlung an das Land in Höhe von 585 Millionen Euro leisten müssen. Außerdem seien zur Entlastung des aktuellen Haushaltes im Vorjahr bereits 635 Millionen Euro an einen Versorgungsfonds vorgezogen worden. Der finanzpolitische Sprecher der CDU, Marcus Optendrenk, sagte: „Der Haushaltsabschluss 2016 ist leider nicht das Ergebnis einer strukturellen Haushaltssanierung, sondern beruht auf Einmal- und Sondereffekten.“Sein FDPKollege Ralf Witzel sagte: „Steuereinnahmerekorde sind kein Verdienst der rot-grünen Landesregierung.“Leitartikel Stimme des Westens