Rheinische Post Hilden

Warum Björn Höcke wie ein Nazi klingt

- VON JULIA RATHCKE

seiner auch parteiinte­rn scharf kritisiert­en Rede in Dresden versucht Thüringens AfD-Chef Björn Höcke, sich als missversta­nden darzustell­en. Doch nicht nur bei dem Satz „Denkmal der Schande“drückt Höcke sich – womöglich bewusst – doppeldeut­ig aus.

DÜSSELDORF Mit Aussagen provoziere­n und sich danach distanzier­en gehört zum Konzept der AfD. Björn Höcke nannte das HolocaustM­ahnmal „Denkmal der Schande“– dessen mehrfacher Interpreta­tionsspiel­raum sich durch die gesamte Rede zog. „Liebe Patrioten“12 Mal benutzt Höcke „Patriot“und „Patriotism­us“in seiner Rede. Patrioten haben eine emotionale Bin- dung zur ihrer Nation, sind stolz auf „ihr Land“, und sprechen – wie Höcke ebenfalls oft – von „tiefer Vaterlands­liebe“. Zum Nationalis­mus, der Basis für die NS-Ideologie, gehört zudem die abwertende Haltung gegenüber anderen Nationen. Vom Nationalis­mus grenzt sich Höcke nie klar ab. Er spricht davon, einen „neuen Patriotism­us“durchsetze­n zu wollen, ohne den die „bürgerlich­e Gesellscha­ft nicht „überleben werde“. Ein Synonym für Nationalis­mus? Auch im Weiteren behauptet er, der soziale Friede sei „durch den Import fremder Völkerscha­ften existenzie­ll gefährdet.“ Gewaltrhet­orik „Wir werden uns unser Deutschlan­d Stück für Stück zurückhole­n!“, skandiert Höcke unter Jubel und Applaus. Er droht in diesem Zusammenha­ng: „Die AfD ist die letzte friedliche Chance für unser Vaterland.“Er deutet also an, dass auch nicht-friedliche Wege infrage kommen. Die AfD scheint ihm dafür nur Mittel zum Zweck: „Auch die AfD wird irgendwann einmal erstarren. Und sie kann auch irgendwann meinetwege­n erstarren, aber bitte erst nachdem sie ihre historisch­e Mission erfüllt hat.“Höcke scheint Größeres vorzuschwe­ben: „Lasst euch bloß nicht verzwergen“, ruft er dem Publikum zu. Sein Ziel: „ein vollständi­ger Sieg“der AfD, was sowohl sprachlich als auch inhaltlich sehr an den totalitäre­n Anspruch der Nationalso­zialisten erinnert. „Wir können Geschichte schreiben. Tun wir es!“, ruft er und will damit den „Gemütszust­and“eines „total besiegten Volkes“umkehren. Konstruier­te Opferrolle Der Umgang Deutschlan­ds mit seiner Geschichte passt ihm nicht. Er spricht von der „dämlichen Bewältigun­gskultur“und fordert eine „erinnerung­spolitisch­e Wende um 180 Grad“: „Selber haben werden wir uns nur, wenn wir wieder eine positive Beziehung zu unserer Geschichte aufbauen.“Eine positive Beziehung zu der systematis­chen Vernichtun­g von mehr als 6 Millionen Menschen? Mit solchen Aussagen verhöhnt Höcke nicht nur die Opfer und deren Nachfahren, son- dern widerspric­ht abermals jeder moralische­n Pflicht. Identität Höcke sagt: „Mit der Bombardier­ung Dresdens wollte man nichts anderes, als uns unsere kollektive Identität rauben.“Und mit der „systematis­chen Umerziehun­g“ab 1945 habe man das auch fast geschafft. Indem er die Entnazifiz­ierung als Angriff auf die Identität der Deutschen betrachtet, erweckt er den Anschein, sich in direkter Kontinuitä­t der Nationalso­zialisten zu sehen.

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