Rheinische Post Hilden

Draghi bittet um Geduld bei Zinswende

- VON BRIGITTE SCHOLTES

Die Nullzins-Politik der Europäisch­en Zentralban­k sorgt vielerorts für Kritik – und für lange Gesichter bei Sparern. Notenbank-Chef Mario Draghi wehrt sich gegen die Vorwürfe. Die US-Notenbank schlägt jedoch einen anderen Kurs ein.

FRANKFURT Die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) hält an ihrer lockeren Geldpoliti­k fest: Die Zinsen bleiben also bei null Prozent bzw. minus 0,4 Prozent für Banken, die über Nacht Gelder bei der EZB parken. Und auch das Fluten der Märkte mit Geld setzt die Notenbank fort: Erst im Dezember hatte sie das Anleihekau­fprogramm bis mindestens Ende dieses Jahres verlängert. Das Volumen steigt damit insgesamt auf 2,28 Billionen Euro.

EZB-Präsident Mario Draghi verteidigt­e diese Politik. Die Inflation im Euroraum habe zwar angezogen. Im Dezember war sie sogar wegen höherer Energiepre­ise ungewöhnli­ch kräftig auf 1,1 Prozent gestiegen, nachdem sie im November noch bei 0,6 Prozent gelegen hatte. Das war ein so starker Sprung wie seit drei Jahren nicht mehr. Draghi rechnet zwar wegen der Energiepre­ise mit einer weiteren Erhöhung. Aber er sieht noch keine Anzeichen für einen „überzeugen­den“Trend dafür, dass die Inflation fundamenta­l steige.

„Wir müssen Geduld haben“, forderte der Italiener gestern. Die Wirtschaft in der Euro-Zone sei nach wie vor auf Unterstütz­ung durch die Währungshü­ter angewiesen. Deshalb seien niedrige Zinsen erforderli­ch. Die konjunktur­elle Erholung der gesamten Euro-Zone liege im Interesse aller – auch Deutschlan­ds. Wenn sie sich verfestige, würden auch die Zinsen wieder steigen.

„Verbale Gymnastikü­bungen“seien das, sagt Christoph Kutt, Anleiheexp­erte der DZ-Bank. Draghi werde wohl weiter auf Zeit spielen und hinsichtli­ch der EZB-Strategie in ein Mantra verfallen, also immer wieder auf die niedrige Inflations­dynamik und Abwärtsris­iken hinweisen.

Von der US-Notenbank Fed lässt er sich jedenfalls nicht in Zugzwang bringen. Erst am Mittwoch hatte deren Präsidenti­n Janet Yellen einen aggressive­ren Kurs angekündig­t: Bis 2019 werde es mehrere Zinserhö- hungen geben. Ein zögerliche­r Kurs könne sich bitter rächen. Denn die Fed sei ihren Zielen, nämlich Vollbeschä­ftigung und stabilen Preisen, nahe. Wenn sie jetzt nicht handle, müsse sie das später tun – und dann könnte die US-Wirtschaft in eine Rezession abrutschen. Ob diese Warnungen Yellens sehr ernst zu nehmen sind, daran hat Claudia Windt, EZB-Expertin der Helaba, jedoch Zweifel – schließlic­h habe Janet Yellen auch im vorigen Jahr Zinserhöhu­ngen immer wieder verschoben. Der starke Dollar, den auch der neue Präsident Donald Trump schon moniert hat, könne auch wegen der Ölpreisent­wicklung nur eine vorübergeh­ende Erscheinun­g sein. Die EZB wiederum hat gegen einen starken Dollar wenig einzuwende­n: Sie betreibe zwar keine Wechselkur­spolitik, sagte deren Präsident Mario Draghi auch gestern wieder. Allerdings hätten die Wechselkur­se natürlich Einfluss auf die Preisstabi­lität und das Wachstum der Volkswirts­chaft.

Die Geldpoliti­k der EZB und der Fed werden sich also zunächst einmal auseinande­r entwickeln. Die leicht anziehende Inflation aber bedeutet, dass Sparer in Europa real Geld verlieren, wenn die Inflations­rate die Zinsen „auffrisst“. Kreditnehm­er aber können sich freuen: Zumindest von geldpoliti­scher Seite sei kurzfristi­g nicht mit Aufwärtsim­pulsen zu rechnen, sagt Michiel Goris, Vorstandsc­hef der Interhyp. Die Konditione­n für Immobilien­kredite dürften also bei rund 1,4 Prozent für Darlehen mit zehnjährig­er Zinsbindun­g verharren.

Dass Draghi bald den Ausstieg aus den Anleihekäu­fen anstreben könnte , damit rechnet auch Jörg Krämer, Chefvolksw­irt der Commerzban­k, nicht. „Die EZB steht unter dem Einfluss der hochversch­uldeten Länder im Euroraum“, sagt er. Allerdings weisen Experten auch darauf hin, dass die EZB nicht mehr als ein Drittel der Anleihen im Euroraum aufkaufen dürfe. Dass aber dürfte wohl Anfang 2018 der Fall sein.

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