Rheinische Post Hilden

Studie: Erkrankung­en durch hohe Arbeitsbel­astung nehmen zu

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

Die Böckler-Stiftung hat branchenüb­ergreifend mehr als 2000 Betriebsrä­te zu den Bedingunge­n in ihren Unternehme­n befragt.

DÜSSELDORF Leistungsd­ruck und eine Anhäufung zusätzlich­er Aufgaben sorgen für eine Zunahme psychische­r Erkrankung­en in deutschen Betrieben. Das geht aus einer Studie des Wirtschaft­s- und Sozialwiss­enschaftli­chen Instituts (WSI) der gewerkscha­ftsnahen HansBöckle­r-Stiftung hervor, die unserer Redaktion vorliegt.

Die Arbeits- und Gesundheit­sexpertin Elke Ahlers hat dafür eine Erhebung des Meinungsfo­rschungsin­stituts Infas ausgewerte­t, bei der im Frühjahr 2015 insgesamt 2009 Betriebsrä­te aller wichtigen Branchen befragt wurden. Dabei ging es insbesonde­re um die Frage nach den Arbeitsbed­ingungen der Belegschaf­ten. Rund 60 Prozent der Arbeitnehm­ervertrete­r gaben an, dass die Beschäftig­ten ihres Unternehme­ns massiv unter Zeitdruck und hoher Arbeitsint­ensität litten. Von hohem Verantwort­ungsdruck berichten 44 Prozent, von regelmäßig­en störenden Unterbrech­ungen der Arbeit 27 Prozent und von mangelnder Planbarkei­t der Arbeitszei­ten 23 Prozent. In einem Fünftel der Firmen grassiere zudem die Angst, den Arbeitspla­tz zu verlieren – dies sagten vor allem Betriebsrä­te von Unternehme­n in der IT- und Kommunikat­ionsbranch­e (36 Prozent) und des Handels (25 Prozent).

Besonders alarmieren­d sind die Folgen des stressiger­en Arbeitsall- tags: In 77 Prozent der Betriebe haben Termindruc­k und hohe Arbeitsint­ensität nach Angabe der Befragten in der jüngeren Vergangenh­eit zu mehr gesundheit­lichen Beschwerde­n bei Beschäftig­ten geführt, in jedem zweiten Unternehme­n ist die Zahl der Überstunde­n gestiegen. In rund drei Viertel der Firmen ist Stress auf Betriebsve­rsammlunge­n zur Sprache gekommen oder Gegenstand von Verhandlun­gen zwischen Arbeitnehm­ervertretu­ng und Geschäftsf­ührung.

Als einen Hauptgrund für die gestiegene Belastung sieht WSI-Expertin Ahlers eine zu geringe Personalst­ärke: 74 Prozent der Betriebsrä­te gaben demnach an, sie würden derzeit mit der Unternehme­nsführung über die zu geringe Personalau­sstattung sprechen. Überdurchs­chnittlich häufig wurde dieses Problem von den Personalve­rtretern im öffentlich­en Dienst, im Erziehungs­und Gesundheit­ssektor genannt (80 Prozent). Ebenfalls überdurchs­chnittlich oft kommt die Personalkn­appheit im Handel (77 Prozent), in der IT- und Kommunikat­ionsbranch­e (76), im Gastgewerb­e (76), in der Industrie (76) und in der Finanzbran­che (75) vor.

Zwar räumt die Studien-Autorin ein, dass es in einigen Sektoren Schwierigk­eiten gebe, für unbesetzte Stellen die passenden Bewerber zu finden – etwa in Pflegeeinr­ichtungen oder im Bauwesen. Allerdings spiele in diesen Betrieben Betriebsrä­te geben an, dass das Problem „stark“oder „sehr stark“auftrat. Termin- und Zeitdruck 60% hohe Arbeitsint­ensität (Volumen) 59 % hoher Verantwort­ungsdruck 44 %

störende Unterbrech­ungen

27 %

mangelnde Planbarkei­t der Arbeitszei­t

23 %

Angst vor Arbeitspla­tzverlust

20 %

monotones Arbeiten

14 % Überlastun­g durch Personalma­ngel kaum eine größere Rolle als in denjenigen, die über genügend geeignete Kandidaten verfügten. Einen Zusammenha­ng gebe es nicht, vielmehr sei „zu vermuten, dass Unternehme­n die Personalde­cke aus Kostengrün­den so gering wie möglich halten“, schreibt Ahlers.

Kritisch beleuchtet die BöcklerExp­ertin auch „neue Techniken der Leistungss­teuerung“: Zielverein­barungen und Vertrauens­arbeitszei­t statt Stechuhr vergrößert­en zwar den Spielraum für Selbstbest­immung und Selbstorga­nisation der Beschäftig­ten, zugleich erhöhten diese Instrument­e jedoch die Anforderun­gen und gingen mit mehr Stress einher.

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