Rheinische Post Hilden

Degenkolb meldet Ansprüche an

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

Der Paris-Roubaix- und Mailand-Sanremo-Sieger von 2015 peilt mit neuem Team den nächsten Sieg bei einem Frühjahrsk­lassiker an. Aber auch bei der Tour de France will er nicht nur als Helfer von Alberto Contador mitfahren.

DÜSSELDORF Wer John Degenkolb zuhört, der merkt, was für ihn das Schönste an 2017 ist: dass 2016 vorbei ist. 2016 – dieses vermaledei­te Jahr. Dieses verlorene Jahr infolge des Trainings-Zusammenst­oßes mit dem Auto einer 73-jährigen Britin auf einer Landstraße in Spanien. Schwere Verletzung­en, mehrere Operatione­n, langwierig­e Reha, eine Saison in der Zuschauerr­olle. „Ich glaube, dass ich das Ganze mental verarbeite­t habe, und ich will eigentlich gar nicht mehr so viel darüber sprechen, sondern in die Zukunft gucken und mich auf das konzentrie­ren, was in 2017 vor uns liegt“, sagt der 28-Jährige.

2017 soll Neuanfang und Rückkehr zugleich sein für den Radprofi. Ein Neuanfang im neuen Team, der amerikanis­chen Trek-SegafredoE­quipe, zu der er nach fünf Jahren beim damaligen Giant-AlpecinTea­m (heute Sunweb) gewechselt ist. Und eine Rückkehr zu der Form, die er 2015 hatte, als er die Frühjahrsk­lassiker Paris-Roubaix und Mailand-Sanremo gewinnen konnte. „Ich will natürlich wieder ein Monument gewinnen. Das ist das, auf das ich mich im Moment voll und ganz konzentrie­re“, sagt Degenkolb. Ein Lieblingsr­ennen, bei dem er ganz oben stehen will, hat der Geraer dabei nicht. „Wenn man auf die einzelnen Rennen guckt, auf Sanremo, die Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix, dann sind alle drei sehr speziell. Alle drei haben ihren ganz eigenen Charakter.“

Doch Frühjahrsk­lassiker hin oder her – Gent-Wevelgem (2014) und Paris-Tours (2013) gewann Degenkolb auch schon –, aus der Perspektiv­e eines deutschen Radprofis dürfte es in diesem Jahr schwerfall­en, irgendetwa­s von der sportliche­n Bedeutung her höher zu hängen als die Tour de France. Schließlic­h findet der Grand Départ Anfang Juli in Düsseldorf statt. „Das ist natürlich eine ganz große Nummer“, schwärmt Degenkolb. Dass er für Trek Segafredo bei der bedeutends­ten Rundfahrt der Welt dabei sein wird, steht für den Sprinter und sein Selbstvers­tändnis außer Frage. Nur eine Verletzung würde ihn wohl von einer Nominierun­g ausschließ­en. Beim Dabeisein will es Degenkolb allerdings im Tour-Feld nicht belassen. „Natürlich bin ich Teil einer Mannschaft, die in Person von Al- berto Contador um den Gesamtsieg mitkämpfen möchte, aber ich möchte auch ganz bestimmt meine eigenen Chancen suchen und hoffentlic­h einen Etappensie­g einfahren“, sagt Degenkolb.

Zehn Etappensie­ge bei der Vuelta (Spanien-Rundfahrt) und eine beim Giro d‘Italia stehen für ihn zu Buche, ein Tagessieg bei der Tour fehlt ihm noch. Doch sich deswegen noch einmal extra Druck zu machen, ist dann dieser Tage auch nicht so Degenkolbs Ding. „Für mich wäre es auf jeden Fall ein großer Traum, der in Erfüllung gehen würde. Aber es ist jetzt nicht so, dass ich deswegen schlaflose Nächte habe und an nichts anderes mehr denken kann“, sagt er und lächelt.

Der persönlich­e Ehrgeiz ist eben das Eine, was Degenkolb antreibt. Aber er ist auch jemand, der den Blick über den Tellerrand der eigenen Karriere wirft. Auf die Entwicklun­g des deutschen Radsports nach den dunklen Jahren, beherrscht von Dopinggest­ändnissen und -enthüllung­en. Und da gehe die Entwicklun­g in die richtige Richtung, findet Degenkolb. „Wir haben in den letzten Jahren viel dafür getan, um die Sportart ein bisschen zu öffnen, um hinter die Kulissen blicken zu lassen, transparen­ter zu werden als in der Vergangenh­eit, um einfach Ver-

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