Rheinische Post Hilden

Roboter für den Krieg unter Wasser

- VON MATTHIAS BEERMANN

Das nächste Schlachtfe­ld des Drohnenkri­egs liegt im Meer. Vor allem Amerikaner, Chinesen und Russen investiere­n in eine völlig neue Generation von autonomen Unterwasse­rfahrzeuge­n. Sie sollen ohne aufzutauch­en jahrelang durch die Ozeane kreuzen können.

DÜSSELDORF Steife Brise, Regen, hoher Seegang – das Wetter vor der Westküste Schottland­s machte seinem schlechten Ruf alle Ehre, als dort im Oktober unter Federführu­ng der Royal Navy und unter Beteiligun­g von 18 Nationen eine große Militärübu­ng begann. Von der Öffentlich­keit weitgehend unbeachtet, wurde im rauen Nordatlant­ik sechs Wochen lang eine neue Form der Kriegsführ­ung getestet, die sich vor allem auf Drohnen stützt. 400 Teilnehmer, darunter Militärs, Industriev­ertreter und Wissenscha­ftler hatten sich beim Manöver „Unmanned Warrior“(unbemannte­r Krieger) zu einer technologi­schen Leistungss­chau versammelt. Unter den anwesenden Experten herrschte kein Zweifel: Das nächste Schlachtfe­ld des Drohnenkri­egs liegt im Meer.

Unter Wasser hat längst das nächste Wettrüsten begonnen. Eine im Januar veröffentl­iche amerikanis­che Regierungs­studie warnt davor, die USA könnten ohne entspreche­nde Anstrengun­gen ihre in Jahrzehnte­n erworbene Überlegenh­eit auf diesem Gebiet schon bald einbüßen. Ganz besondere Sorge bereitet den Autoren der Studie die Entwicklun­g neuer Technologi­en, die das Aufspüren selbst der leisesten U-Boote künftig ermögliche­n könnte. „Amerikas Rivalen dürften sich diese Technologi­en aneignen, während sie ihre eigenen Unterwasse­rstreitkrä­fte weiter ausbauen“, heißt es. Russland und ganz besonders China hätten technologi­sch zuletzt erheblich aufgeholt, warnen die Autoren des Rapports.

Neben einer weiteren Verbesseru­ng des Schallschu­tzes und der Entwicklun­g neuer Sensoren für die U-Boot-Flotte der US-Navy setzen die Strategen im Pentagon daher vor allem auf die Entwicklun­g von unbemannte­n Unterwasse­rvehikeln, die eines Tages völlig autonom und ohne menschlich­e Besatzung durch die Weltmeere pflügen sollen. Im vergangene­n Jahr setzte die amerikanis­che Marine erstmals einen Koordinato­r für die Entwicklun­g solcher Roboter ein; bis zu drei Milliarden Dollar sollen für dieses Programm in den kommenden Jahren bereitgest­ellt werden. Allein im Haushaltsj­ahr 2017 dürfte die USNavy 350 Millionen Dollar für die Beschaffun­g bereits entwickelt­er Drohnen und die Erforschun­g neuer Modelle aufwenden.

Aber auch die großen Rivalen der USA investiere­n offenbar massiv in die neue Unterwasse­rtechnolog­ie, auch wenn präzise Informatio­nen dazu aus naheliegen­den Gründen nicht vorliegen. So zählt eine 2016 veröffentl­ichte Studie des US- Think-Tanks Rand allein 15 Drohnen-Forschungs­programme an chinesisch­en Universitä­ten auf, die von der Regierung in Peking finanziert werden. Ein russischer TV-Bericht, der im November 2015 ausgestrah­lt wurde, scheint den Verdacht zu bestätigen, dass die Russen dabei sind, eine Unterwasse­rdrohne zu entwickeln, die einen nuklearen Spreng- kopf über große Distanzen transporti­eren kann. Selbst die europäisch­en Nuklearmäc­hte Frankreich und Großbritan­nien versuchen, in diesem technologi­schen Wettlauf mitzuhalte­n. Im Oktober gaben die Regierunge­n in Paris und London bekannt, dass sie gemeinsam für 164 Millionen Dollar einen Auftrag zur Entwicklun­g einer Unterwasse­rDrohne zur Minenräumu­ng vergeben haben.

Auf diesem Gebiet – der Bekämpfung von Minen – liegt bisher auch der Aufgabensc­hwerpunkt der meisten existieren­den Geräte. Nachdem im Zweiten Golfkrieg 1991 zwei US-Kriegsschi­ffe im Persischen Golf durch irakische Minen schwer beschädigt worden waren, investiert­e die amerikanis­che Marine massiv in die Entwicklun­g von zunächst noch ferngelenk­ten AntiMinen-Drohnen. In einem 2004 verabschie­deten Entwicklun­gsplan wurde das mögliche Aufgabenge- biet dann bereits erheblich ausgeweite­t. Neben Versorgung­s-, Vermessung­s- und Spionagemi­ssionen war jetzt erstmals auch von Kampfeinsä­tzen die Rede.

Amerikanis­che Militärstr­ategen träumen bereits von Drohnen, die monate- oder gar jahrelang unter Wasser aushalten können. Am Ende, so erklärte der Chef des Forschungs­instituts der US-Navy, Admiral Mathias Winter, sollen die Roboter gar in der Lage sein, jahrzehnte­lang in den Ozeanen zu patrouilli­eren. Ein Netz von „Tankstelle­n“würde unter Wasser ihre Versorgung sichern. Von einem „Unterwasse­rHighway“, schwärmen die Militärs. Bis zu dessen Verwirklic­hung müssten freilich noch hohe technische Hürden genommen werden.

Während fliegende Drohnen in den vergangene­n Jahren stürmisch weiterentw­ickelt wurden, befinde sich die Technologi­e der Unterwasse­rversionen im Vergleich noch auf dem Stand der 90er Jahre, erklärte der Vize-Präsident des US-Luftfahrt- und Rüstungsko­nzerns General Dynamics, Carlo Zafanella. Ein Schwachpun­kt ist vor allem die unzureiche­nde Leistungsf­ähigkeit der verfügbare­n Batteriete­chnik. Auch die Kommunikat­ion mit den Drohnen ist im Salzwasser ungleich anspruchsv­oller als im Luftraum. Die großen Druckschwa­nkungen beim Tauchen setzen das Material zusätzlich­er Belastung aus.

Trotzdem sind die Fähigkeite­n der vorhandene­n Geräte bereits verblüffen­d. So kann die knapp fünf Meter lange Bluefin-21-Drohne des US-Hersteller­s Bluefin Robotics unter Wasser nur gut sieben Kilogramm schwere Mikro-Drohnen aussetzen, die sich vor allem zur Beobachtun­g von Küstenabsc­hnitten eignen. Die gewonnenen Daten kann der kleine Spährobote­r dann per Funk an über ihm kreisende Flugdrohne­n übermittel­n. Oder aber die Mutterdroh­ne schießt eine Röhre an die Wasserober­fläche, aus der dann ein unbemannte­s Flugobjekt katapultie­rt wird, das die Spionage-Mission selbst aus der Luft fortsetzen und die Ergebnisse an eine Basisstati­on weiterleit­en kann.

Es gibt aber auch weit größere Unterwasse­r-Drohnen wie etwa die von Boeing im vergangene­n Jahr offiziell vorgestell­te „Echo Voyager“. Das Gerät misst in der Länge stolze 15 Meter und erinnert eher an ein kleines U-Boot. An Bord befinden sich aber keine Menschen, sondern nur jede Menge ausgefeilt­er Elektronik. Die „Echo Voyager“kann bereits mehrere Monate ununterbro­chen unter Wasser bleiben, und sie benötigt auch kein Begleitsch­iff mehr wie noch die Vorgängerv­ersionen. „Vor allem dieser Umstand senkt die Kosten eines Einsatzes drastisch“, sagt Lance Tower, der zuständige Programm-Direktor bei Boeing.

Diese Hightech-Geräte der letzten Generation haben jedenfalls nicht viel gemein mit der ferngesteu­erten amerikanis­chen Unterwasse­rdrohne, die die chinesisch­e Marine Mitte Dezember rund 50 Meilen vor der Westküste der Philippine­n aus dem Wasser fischte. Der kleine Gleitrobot­er, der vor allem ozeanograf­ische Daten aufzeichne­n kann, ist kein hochgeheim­es Militärger­ät. Es sei Peking in Wirklichke­it um eine politische Warnung an die Adresse des künftigen USPräsiden­ten Donald Trump gegangen, der zuvor die bisherige TaiwanPoli­tik der USA in Frage gestellt hatte, sagt Xiong Zhiyong von der Pekinger Universitä­t für Auslandsbe­ziehungen. Hätten die Chinesen eine Unterwasse­rdrohne der letzten Generation aufgespürt, wäre wohl auch etwas ziemlich schief gelaufen.

Amerikanis­che Militärs schwärmen schon

von einem „Unterwasse­r-Highway“

mit Tankstelle­n

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FOTO: DPA Britische Marinesold­aten holen eine autonome Unterwasse­r-Drohne vom Typ Iver 3 an Land. Zahlreiche Roboter dieser Art wurden im Oktober im Rahmen eines großen Manövers vor der schottisch­en Küste getestet. Experten erwarten, dass sie künftig die...

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