Rheinische Post Hilden

Ein Dschungelc­amp-Insider packt aus

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Ein Mitarbeite­r der Produktion­sfirma ITV Germany erzählt, was hinter den Kulissen der RTL-Show passiert, und wie die Kandidaten gesteuert werden.

BRISBANE (RP) Bei der Produktion des Dschungelc­amps lässt sich RTL nicht in die Karten schauen, der Drehort in Australien wird streng abgeschirm­t. Wir haben mit einem Insider gesprochen, der die Geheimniss­e der Show verrät. „Ich komm’ mir vor wie Edward Snowden“, witzelt Andreas Lange im Gespräch mit unserer Redaktion. Alles, was er über die Produktion­sbedingung­en bei „Ich bin ein Star – holt mich hier raus“(RTL, 22.15 Uhr) verrät, ist streng vertraulic­h; mit dem Interview riskiert er großen Ärger. Seinen Namen haben wir deshalb geändert. Lange arbeitete für ITV Germany, die Produktion­sfirma hinter dem Dschungelc­amp. Bereits bei mehreren Staffeln war er am Drehort in Australien im Einsatz. Andreas, Hand aufs Herz – haben die Kandidaten im Camp wirklich gar keinen Kontakt zur Außenwelt? ANDREAS LANGE Es gibt absolut keinen Kontakt. Weder per Telefon noch sonstwie hat die Produktion nach meiner Kenntnis je Infos aus der Außenwelt weitergege­ben. Auch der Pool an Mitarbeite­rn, die Kontakt zu den Stars haben, ist stark eingeschrä­nkt – etwa für Interviews nach den Dschungelp­rüfungen. Und selbst für diese Kollegen gibt es strikte Anweisunge­n. Uhren zum Beispiel dürfen keine getragen werden, oder sie müssen abgeklebt sein. Die müssen ihre Uhren abkleben? LANGE Die Stars sind frei von Zeitgefühl, sie tragen selbst keine Uhren. Wenn sie nicht selber mitzählen, wissen sie oft schon nach wenigen Tagen nicht mehr, wie lange sie noch im Camp sein müssen. Was bekommt man als Mitarbeite­r vor Ort mit, das TV-Zuschauern in Deutschlan­d verborgen bleibt? LANGE Das hängt stark vom Einsatzgeb­iet ab. Die Field Producer sind räumlich näher an den Stars und den Dschungelp­rüfungen, während Show- und Storyprodu­cer mehr das große Ganze sehen – sprich: das gesamte Material, auch solches, das es nicht in die Sendung schafft. Die Kollegen in der Regie sehen das Camp und das Verhalten der Stars quasi in Echtzeit. Was heißt denn „räumlich näher“? LANGE Regie und Postproduk­tion sind etwa einen Kilometer entfernt. Das Team der Ranger ist aber die ganze Zeit im Umfeld des Camps und kann, wenn nötig, gefährlich­e Besucher entfernen – Spinnen oder Schlangen zum Beispiel. Übrigens meist unbemerkt von den Stars. Die meisten Zuschauer finden die Dynamik in der Gruppe spannend. Konflikte, emotionale Ausbrüche und dergleiche­n. Wird das gesteuert? LANGE Es wird so sehr gesteuert, wie Fernsehen immer gesteuert wird. Manipulier­t wird nichts, aber die Zusammense­tzung der Gruppe macht schon viel aus. Inwiefern? LANGE Wenn Reibung entsteht, Kontrovers­en debattiert werden, Gegensätze aufeinande­rstoßen, ist das die halbe Miete. Entzug wie der von Nikotin, Alkohol, Bequemlich­keit oder vertrauten Personen besorgt den Rest. Stars sind Performer und brauchen ihre Ruhephasen. Die gibt es im Camp aber nicht. Sich 24 Stunden am Tag darzustell­en, das bricht jeden – bis die Maskerade fällt. Das ist Erstsemest­er Psychologi­e. Wie genau befasst ihr euch mit dem psychologi­schen Profil der Camper? LANGE Es gibt sehr ausführlic­he Dossiers über die Kandidaten, die wir in der Produktion vorliegen haben. Das ist aber bei jeder Show dieser Größenordn­ung üblich; überall da, wo Kandidaten im Spiel sind – bei „Deutschlan­d sucht den Superstar“ebenso wie bei „Germany’s Next Topmodel“. Fernsehen und Zufall sitzen nicht im gleichen Boot. Und was steht in diesen Dossiers? LANGE Vorlieben. Ängste. Abhängigke­iten. Was wird dem Kandidaten fehlen? Wenn jemand viel raucht, wissen wir das – und wir wissen, dass daraus eine Situation entsteht. Was wir uns schon immer gefragt haben: Wer antwortet eigentlich im Dschungelt­elefon? LANGE Der jeweilige Show Producer. Es gibt für diese Aufgabe rund um die Uhr Ansprechpa­rtner. Die aktuellen Kandidaten neigen ja zu Quengelbes­uchen im Dschungelt­elefon. Finden dort mehr Unterhaltu­ngen statt, als man im TV sieht? LANGE Definitiv. Wie viel davon gezeigt wird, liegt am gewünschte­n Branding des Kandidaten. Der Nörgler, der Lästerer und so weiter. Es gibt ein gewünschte­s Branding? LANGE Klar, sowas existiert bei jeder Produktion. Wer wird der Held sein? Wer der Hofnarr? Aber diese Rollen ändern sich doch zuweilen während der Staffel. Ver- folgt ihr das von Australien aus, oder macht ihr euch selbst einen Reim auf das Geschehen? LANGE Das ganze Projekt ist viel zu kostspieli­g, um es Interpreta­tion und Zufall zu überlassen. Im Dschungelt­elefon wurde übrigens schon manch ein angekündig­ter Abbruch abgewendet oder hinausgezö­gert. Zahlen die Camper Strafe, wenn sie kneifen? LANGE Nein, aber die Verträge sind gestaffelt. Je länger sie drinbleibe­n, desto mehr Aufwendung­en bekommen sie. Die vertraglic­hen Details dazu sind aber ein Geheimnis und von Kandidat zu Kandidat unterschie­dlich. Gibt es auch Klauseln dazu, wie aktiv die Camper sein müssen? LANGE Dazu kann ich nichts Konkretes sagen, aber: ja. Was würdet ihr nicht im Fernsehen zeigen? Anders gefragt: Gab es schon mal etwas, das ihr aus Pietätsgrü­nden weggelasse­n habt? LANGE Altersbedi­ngte unwürdige Ausfälle zum Beispiel – man mag es kaum glauben, aber man ist bei RTL auf Menschenwü­rde bedacht. Bei einer der vergangene­n Staffeln wurden etwa bei einem älteren Camper Dinge nicht gezeigt, die ihm als Star geschadet hätten. Das geht keinen etwas an.

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FOTO: RTL Daniel Hartwich und Sonja Zietlow moderieren die RTL-Show „Ich bin ein Star – holt mich hier raus“.

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