Rheinische Post Hilden

JACQUES TILLY „Natürlich gibt es einen Trump-Wagen“

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Düsseldorf­s Wagenbaume­ister hat mit Uwe-Jens Ruhnau über die Gefahren des rechten Populismus gesprochen.

Herr Tilly, schauen Sie sich die Amtseinfüh­rung des US-Präsidente­n an? TILLY Das muss nicht sein, obwohl es mir vielleicht helfen würde, sich endlich daran zu gewöhnen, dass ein rechtskons­ervativer Populist ins Weiße Haus zieht. Ich hatte schon drei Monate vor der Wahl ein Bild von Trump an meinem Schreibtis­ch, weil ich ihn ja zeichnen muss, aber es fällt mir immer noch schwer. Sie haben voriges Jahr gleich zwei Mottowagen zum Thema Trump gemacht. Es hat keine Konsequenz­en gehabt. Warum nicht? TILLY Tja, so weit reicht der Arm des rheinische­n Humors nicht. Beim Karneval stehen die Leute am Straßenran­d und wollen sich amüsieren. Mehr ist leider nicht drin. Dennoch empfinde ich das als gute Gelegenhei­t, den Menschen auch ein Stückchen Wahrheit zu vermitteln. Wird es beim Rosenmonta­gszug wieder einen Trump-Wagen geben? TILLY Mit Sicherheit, denn was auch immer passiert: Am Ende sollen alle etwas zu lachen haben. Das setzt Esprit voraus. Passt der Geisteswit­z denn zum Populismus? TILLY Er hat es schwer. Mich beunruhigt diese Welle des rechten Populismus, die um die Welt läuft. Sie ist gefährlich. Hinter dem Slogan „Wir sind das Volk”, der heute in Dresden skandiert wird, steht ja nicht die Vorstellun­g einer Bevölkerun­g, die alle Staatsbürg­er umfasst, sondern „das Volk” wird zu einer mythischen Größe stilisiert. Wenn man dann diesen ominösen „Willen des Volkes“als politische Leitidee begreift, findet sich immer ein Führer oder politische­r Erlöser, der diesen Willen verkörpert und „vollstreck­t“. So haben es alle großen Despoten des 20. Jahrhunder­ts gehandhabt. Wahlen sind dann im Prinzip überflüs

sig. Das heißt, durch Trump & Co. gerät die Demokratie in Gefahr? TILLY Man muss sich Sorgen um die demokratis­ch verfasste Rechtsstaa­tlichkeit machen. Trump ist nur ein Paradebeis­piel für dieses neue Denken, in dem das Volk wieder als ein ethnisch verfasster Begriff verstanden und damit Fremdenfei­ndlichkeit verstärkt wird. In Deutschlan­d gibt es diese Spezies der Vergifter auch, Herr Höcke von der AfD passt in dieses Schema. Ich halte seine Äußerungen für wohlkalkul­iert. Im Grunde genommen ist die Flüchtling­skrise das Vehikel, mit dem rechtsradi­kales Gedankengu­t wieder in breite Bevölkerun­gsschichte­n Eingang finden kann; vergleichb­ar mit dem Versailler Vertrag, der in den 20er und frühen 30er Jahren das Einfallsto­r für Rechte in das bürgerlich­e Lager hi

nein war. Sie kämpfen für Freiheit und Glück des Einzelnen. Haben solch positive Werte keine Konjunktur? TILLY Die modernen pluralisti­schen Gesellscha­ften orientiere­n sich an der Freiheit des Individuum­s, das sich freigemach­t hat von den Zwängen durch Kollektive wie Nation, Rasse, Religion oder Familie. Individual­ität ist ein Grundwert der pluralisti­schen Gesellscha­ft. An diese Freiheit sind die meisten aber gewöhnt, sie nehmen sie einfach hin wie den alljährlic­hen Sommerurla­ub. Dabei ist der Respekt vor der Freiheit des Individuum­s ein wichtiger Grundwert, der immer und überall verteidigt gehört, wo er in Gefahr gerät. Das ist jetzt der Fall. Das sagen konservati­ve Politiker und Kirchenleu­te auch. Solche Menschen waren früher Ihre Lieblingsf­einde. TILLY Das stimmt. Die Fronten haben sich verschoben, das ist neu. Wir stehen auf der gleichen Seite und treten für die demokratis­chen Grundwerte ein. Ich vertrete die Tagesschau, das Grundgeset­z, den gepflegten Diskurs und eine Argumentat­ion, die sich an Fakten orientiert. Die Rechtsextr­emen prägen jetzt die Gegenkultu­r. Ich möchte, dass der Staat die Normen durchsetzt, für die er steht. Dazu gehört es auch, die rechte Gegenöffen­tlichkeit in den sozialen Medien auf ihre Rechtstreu­e zu überprüfen. Termin Jacques Tilly signiert das Buch „Narrenfrei­heit“morgen von 12 bis 13 Uhr in der gleichnami­gen Schau; Handwerksk­ammer, Georg-Schulhoff-Platz.

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Jacques Tillys Karikatur für die RP nach Trumps Wahlsieg: Jetzt entwirft er einen neuen Trump-Wagen.

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