BARLEY „Martin Schulz hat alle Freiheiten“
Die SPD-Generalsekretärin spricht über ihre Rolle unter Parteichef Sigmar Gabriel und die Schmerzgrenze der Merkel-Union.
Wir treffen Katarina Barely in ihrem Bundestagsbüro in Berlin. Sie kommt in Eile zum Interview und muss zwischendrin telefonieren – turbulente Tage für die SPD. Barley ist schon im Wahlkampfmodus. Frau Barley, bleiben Sie eigentlich Generalsekretärin unter dem neuen SPD-Chef Martin Schulz? BARLEY Ja, selbstverständlich. Das hat er Ihnen bereits zugesichert? BARLEY Ich weiß schon relativ lange, dass Martin Schulz Kanzlerkandidat und neuer SPD-Vorsitzender wird. Wir verstehen uns gut und ticken ganz ähnlich. Dass wir gemeinsam arbeiten werden, war sofort klar. Wirklich? Wie lange denn genau? BARLEY Die Diskussion um Daten ist doch albern. Sigmar Gabriel hatte als Parteivorsitzender das erste Vorschlagsrecht. Und davon hat er Gebrauch gemacht. Diesen Prozess habe ich eng begleitet. Seine Entscheidung verdient Respekt. Er hat sich um diese Partei sehr verdient gemacht. Wie gut kennen Sie Martin Schulz? BARLEY Als Generalsekretärin arbeite ich mit Martin Schulz sehr eng zusammen. Wir sind beide gebürtige Rheinländer, und das merkt man auch. Wir haben beide die typisch rheinische herzliche, direkte Art im Umgang mit Menschen. Und wir sind beide FC-Köln-Fans. Wird ihm die Partei Beinfreiheit im Wahlkampf gewähren? BARLEY Was genau bedeutet für Sie Beinfreiheit? Etwa, dass er eigene Schwerpunkte beim Programm setzen kann, anders als Peer Steinbrück vor vier Jahren. . . BARLEY Programm und Kandidat werden zusammenpassen, wenn es das ist, was Sie meinen. Martin Schulz ist das dienstälteste Mitglied in unserem Parteipräsidium und war dadurch von Anfang an in die Arbeit an unserem Regierungsprogramm eingebunden. Martin Schulz hat als Kandidat und Parteivorsitzender alle Freiheiten, die er benötigt. Und es wird unmissverständlich klar sein, dass er die Nummer eins ist. Er hat die volle Unterstützung der gesamten Partei. Auch die des neuen Außenministers? BARLEY Selbstverständlich auch die von Sigmar Gabriel. In der Vergangenheit der SPD wurden gleich mehrere Vorsitzende von der Partei demontiert. Droht das auch Martin Schulz?
BARLEY Ich teile Ihre These nicht. Mit Kurt Beck oder Gerhard Schröder ist die SPD hart ins Gericht gegangen. BARLEY Ich erlebe die SPD als unglaublich geschlossene Partei. Das geht bis hinunter in die Ortsvereine und die Basis. Ich möchte endlich mal mit dem Klischee aufräumen, dass sich die SPD immer selbst zerlegen würde. Das stimmt einfach nicht. Die SPD zeichnet aus, dass wir hart um Positionen ringen. Dazu gehören mitunter auch harte Auseinandersetzungen mit der Parteiführung. Gerade dafür liebe ich meine Partei. Und auch Martin Schulz ist ein streitbarer Charakter. Aber wir gehen wertschätzend miteinander um. Das wird der Partei guttun. Trotzdem rätseln alle, wofür Schulz abgesehen von Europa eigentlich steht. Können Sie uns weiterhelfen? BARLEY Martin Schulz steht für den entschlossenen Kampf gegen Rechtspopulismus und vereinfachende Scheinlösungen. Er tritt ein für mehr soziale Gerechtigkeit und den Frieden in Europa und der Welt. Er ist aber gleichzeitig jemand, der ganz nah dran ist an den täglichen Problemen der Menschen. Er war langjährig Bürgermeister seiner Heimatstadt und hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass sein eigener Lebensweg nicht gerade war. Das macht ihn so glaubwürdig und sympathisch. Ist Rot-Rot-Grün mit Schulz eine realistische Option? BARLEY Keine Partei wird mit einer Koalitionsaussage in diesen Wahlkampf gehen. Die SPD ist für Bündnisse mit allen demokratischen Parteien außer der AfD offen. Uns geht es darum, dass wir unsere Inhalte, unsere Werte auch umsetzen können. Da werden wir uns nicht verbiegen. Übrigens: Bisher scheitert Rot-Rot-Grün vor allem an den beiden anderen Parteien in einer solchen Koalition. Grüne und Linke sind sich doch in vielen Punkten spinnefeind. Aber eine Fortsetzung der großen Koalition wollen Sie doch auch nicht. BARLEY Niemand in der SPD will die Fortführung der großen Koalition. Das wäre nicht gut für unser Land. Ich wüsste auch gar nicht, auf welche Inhalte wir uns mit CDU und CSU beim nächsten Mal noch einigen könnten. Wir haben mit dem jetzigen Koalitionsvertrag die Merkel-Union doch bereits an ihre Schmerzgrenze gebracht. Warum machen Sie zwei so wichtige Regierungsämter wie das Außenmi- nisterium und das Wirtschaftsministerium zur Manövriermasse im Wahlkampf? BARLEY Das stimmt nicht. Brigitte Zypries ist eine erfahrene Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium. Sie genießt einen sehr guten Ruf und hat bereits viel Regierungserfahrung. Sie ist als Wirtschaftsministerin eine ausgezeichnete Wahl. Sie steht vor ihrem Karriereende. Sie tritt nicht wieder an . . . BARLEY Uns geht es darum, dieses Land auch in den kommenden acht Monaten bis zur Wahl gut zu regieren. . . . in denen die Ämter verwaltet werden müssen . . . BARLEY Nein. Es geht darum, Kontinuität zu schaffen. Sigmar Gabriel hat als Wirtschaftsminister und langjähriger SPD-Vorsitzender viel internationale Erfahrung gesammelt. Er ist der Richtige für das Außenministerium und ein mehr als geeigneter Nachfolger für FrankWalter Steinmeier, der Bundespräsident werden soll. Als begnadeter Diplomat ist Gabriel bislang nicht aufgefallen . . . BARLEY Sigmar Gabriel ist ein Freund klarer Worte. Das ist auch auf dem diplomatischen Parkett nicht fehl am Platz. Er hat als Minister aber auch bewiesen, dass er in entscheidenden Fragen sehr diplomatisch sein kann. Er wird dieses Amt gut ausfüllen. Soll Schulz auch schon den Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen befeuern? BARLEY Martin Schulz ist Nordrhein-Westfale durch und durch. Das hört man doch sofort, wenn er nur den Mund aufmacht. Er wird dort im Wahlkampf richtig einheizen.