Volle Kraft voraus
Entlang der gesamten mecklenburgischen Ostseeküste bieten sich verlockende Möglichkeiten, mit Kutter, Katamaran oder Kogge in See zu stechen.
Kein Wölkchen trübt den tiefblauen Himmel, die meisten der gelben Strandkörbe mit den weiß-roten Markisen sind weggedreht von der blau schimmernden Ostsee, deren Wasser flach wie ein Leinentuch wirkt. Es ist Mittagszeit und die Badegäste in Kühlungsborn wollen die wärmenden Sonnenstrahlen genießen, die um diese Zeit nicht vom Meer her leuchten, sondern aus Richtung Süden, also von der Landseite.
Mehr als zwei Millionen Übernachtungen zählt der beliebte Badeort an der Ostsee jährlich. Die über vier Kilometer lange Strandpromenade zählt zu den längsten Uferpromenaden Deutschlands – und sie bietet einen freien, völlig unverbauten Blick auf die Ostsee. Der lange Kühlungsborner Strand mit feinem Sand bietet für jeden etwas, vom barrierefreien Strandabschnitt über den FKK-Strand bis zum ausgewiesenen Hundebadestrand. Hier lässt sich entlang der Promenade zur Seebrücke flanieren, im Café Röntgen ein Sanddorntörtchen verzehren und abends im angesagtesten Lokal des Ortes, dem Vielmeer, einen „Rucola Island“oder einen eine der diversen Gin-Sorten probieren, die dort ausgeschenkt werden. Das alles ist schön, doch nur das zu genießen, wäre ein Fehler – denn wer an die Ostsee fährt, der sollte nicht nur baden, schlemmen und promenieren, sondern auch in See stechen.
Dafür bieten sich in Kühlungsborn und entlang der gesamten mecklenburgischen Ostseeküste verlockende Möglichkeiten – sei es die Sonnenuntergangsfahrt auf der Hochseeyacht „Vielmeer Blue“oder der Zwei-Stunden-Törn auf der „Viamar,“dem Katamaran von Jan Grunwald, einem Kühlungsborner Segler und Skipper, der die Ostseeküste wie seine Segeljackentasche kennt: „Seit ich fünf Jahre alt bin, segle ich“, versichert der Mecklenburger, mit dem wir von Kühlungsborn aus Richtung Westen gestartet sind. Sein Katamaran ist extrem sicher und kippstabil und bietet bis zu zwölf Fahrgästen Platz.
Wir fahren Richtung Westen, vorbei am Seebad Rerik und am Salzhaff, bevor wir in Timmendorf anlanden. Nein, nicht am Timmendorfer Strand bei Lübeck, sondern in Timmendorf auf der Insel Poel – einer Insel, die zwar die siebtgrößte Insel Deutschlands ist, die aber von vielen Urlaubern links liegen gelassen wird, wenn sie sich auf den Weg machen Richtung Rügen. Was durchaus ein Fehler ist, denn Poel bietet Strände und Natur jenseits von Schickimicki-Atmosphäre und Massentourismus. „Ländlicher Badetourismus“, so Kurdirektor Markus Frick, ist für die Insel prägend. Ein Ehepaar, das wir am nächsten Tag bei unserer Fahrradtour treffen, erzählt begeistert, Poel sei zwar ausgesprochen flach, erinnere sie aber trotzdem an die Rhön, denn die Insel sei landschaftlich reizvoll und nicht überlaufen. „Seit wir hier auf Poel angekommen sind, haben wir uns noch keinen einzigen Tag gelangweilt“, versichern die beiden, und blicken hinaus auf die Wismarer Bucht.
Im Hafen von Timmendorf begegnen wir bald darauf Uwe Dunkelmann. Statt mit einem schnittigen Katamaran holt er uns mit einem kleinen Fischkutter ab, der den Namen „Uschi“trägt. Dunkelmann, der den Fischereibetrieb seiner Eltern übernommen hat, arbeitet mit Stellnetzen, nicht mit Schleppnetzen. Er fängt vor allem Schollen und Heilbutt – und das auch bei Wind und Wetter. „Bei Sturm herausfahren hat auch seinen Reiz, wichtig ist, dass man nicht gegen den Wind und das Meer ankämpft, sondern sich als eine Einheit versteht“, berichtet der leidenschaftliche Fischer, der in Boltenhagen auch eine Fischräucherei und einen Fischereihof an der Weißen Wiek betreibt – und der frühmorgens auch gerne Gäste mitnimmt, die den Fischfang einmal live erleben wollen.
Nicht weit von der Landidylle auf Poel und vom FamilienBadeort Boltenhagen entfernt, in der Hansestadt Wismar, treffen wir Peter Samulewitz. Der Mittsechziger ist zwar gertenschlank, aber dennoch ein 100-prozentiger Seebär. Für die Deutsche Seereederei war er lange Zeit auf dem Mittelmeer unterwegs und ist in verschiedenen afrikanischen Häfen angelandet. Seit einigen Jahren ist er nun Kapitän der Wissemara.
Das Holzboot, an dem mehrere Jahre gearbeitet wurde, verfügt über einen 32 Meter hohen Mast und über insgesamt 276 Quadratmeter Segelfläche. „Mit Segeln zu fahren, ist etwas ganz anders, das musste ich auch erst lernen. Man muss sich sehr konzentrieren, gerade bei stärkerem Wind. Auch das An- und Ablegen ist nicht so ganz einfach“, gesteht Samulewitz, der regelmäßig dreistündige Ausfahrten und mehrtägige Touren mit der Kogge unternimmt. Das Mitsegeln lohnt sich, denn ein Ostseeurlaub hat viel mehr zu bieten als nur geruhsame Tage im Strandkorb.