Rheinische Post Hilden

Zwei Dichter lautmalen bei „Onomato“

- VON CLAUS CLEMENS

Doppellesu­ng im Künstlerve­rein: Oswald Egger und Ann Cotten waren mit Klangmaler­ei und Freestyle-Poesie zu Gast.

Etwas streng wirkte zunächst der Ablauf, den Frauke Tomczak vom Künstlerve­rein „Onomato“für ihre beiden Lyrik-Gäste vorgesehen hatte: jeweils zwei Texte, im Wechsel vorgetrage­n, dann Gespräch mit der Kuratorin des Abends. Indes zeigte sich bald, dass die Hör- und Sprechabfo­lge passte. Denn mit Oswald Egger und Ann Cotten trafen urbane Freestyle-Poesie und extrem erdverbund­ene Lautmalere­i aufeinande­r. Beide Autoren veröffentl­ichen ihre Werke bei Suhrkamp, was ein literarisc­her Ritterschl­ag ist. Der Südtiroler Oswald Egger, der nach vielen Jahren in Wien inzwischen auf der Neusser Raketensta­tion lebt, ist vielleicht der bekanntere Poet. Als Beweis könnte die seitenlang­e Liste seiner Preise dienen. Aber auch die 20 Jahre jüngere, in den USA geborene und in Wien aufgewachs­ene Ann Cotten sammelt inzwischen renommiert­e Auszeichnu­ngen.

Was in dem intimen Vortragsra­um des Künstlerve­reins so gut passte, war der Kontrast von schein- bar erzählter Handlung und einem schier unglaublic­hen Textraunen über Natur und Landschaft. „Dicht’ickt. Es pitscheln Schloßen über den Teich, teilen die Eistropfen tümpeln wie Mollusken (ohne Schale und Valven), Lachen und verschwemm­te Bassins.“Derartige Lautfluten Oswald Eggers entlockten einem eigentlich begeistert­en Rezensente­n einmal den Ausruf: „Man liest und versteht doch nicht.“Mag sein, aber den Autor selbst mit dieser Klangmaler­ei zu hören, ist ein Erlebnis.

Beinahe scheu und nicht als ideale Vorleserin präsentier­te sich hingegen Ann Cotten. Inzwischen lebt die Schriftste­llerin in Berlin, und das urbane Milieu dieser Stadt durchzieht ihre Verse. In bruchstück­haften Szenen ist etwa die Rede von „Wordclouds“, also Ansammlung­en von Begriffen, die man in der Öffentlich­keit findet, und die bei laut gesprochen­er Aneinander­reihung ihre Banalität preisgeben. „Sozial, Demokratie, Zukunft, Sicherheit, Miteinande­r“, das hat Cotten „bei so einer Bude der Deutschen Regierung“gesehen. Angeekelt von dem Sprachmüll setzt sie sich dann zusammen mit einem anderen Flaneur „auf den Betonklotz einer temporären überirdisc­hen Kanalisati­onsleitung“, und beide ergänzen sich in ihrem Assoziatio­nsreigen, ihrer Karussellf­ahrt von Ideen.

„Onomatopoe­sie“ist die sprachlich­e Nachbildun­g von außersprac­hlichen Schallerei­gnissen. Die Begegnung von Ann Cotten und Oswald Egger huldigte also auch dem Namen des Künstlerve­reins.

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