Dortmunds Moral ist ungebrochen
Die Begleitumstände sind denkwürdig, das Spiel ebenfalls. Doch die Borussen lassen sich im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League auch nicht durch ein Eigentor und ein Abseitstor aus der Bahn werfen. Sie unterliegen Monaco 2:3.
DORTMUND Um 17.55 Uhr wird es gestern Abend erstmals laut im Dortmunder Stadion. Angeführt von Torhüter Roman Bürki betreten die Spieler von Borussia Dortmund zum Aufwärmen den Rasen. BVBFans und Anhänger des Gegners AS Monaco spenden gleichermaßen anerkennenden Beifall. Nicht mal 24 Stunden nach der terroristischen Attacke auf den Dortmunder Mannschaftsbus bei der sich Verteidiger Marc Bartra schwer verletzt hatte, kommen die Akteure wieder ihrem Beruf Profifußballer nach. Auch, um ein Zeichen gegen Terror und Hass zu setzen, wie Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke vorher mitteilen ließ. Und das auf der ganz großen Bühne im Viertelfinale der Champions League. Es sollte ein sehr emotionaler Fußballabend werden. Sportlich blieb hingegen ein ernüchterndes Ergebnis. Der deutsche Vizemeister muss im Rückspiel in der kommenden Woche auswärts ein 2:3 aufholen. Doch Trainer Thomas Tuchel gab sich nach dem Schlusspfiff ebenso kämpferisch wie seine Mannschaft zuvor: „Es ist erst Halbzeit. Wir liegen 2:3 zurück. Wir haben den Glauben aber noch nicht verloren.“
Knapp drei Stunden vor Anpfiff meldete sich der erfolgreich am Arm operierte Spanier Marc Bartra beim Nachrichtendienst Instagram zu Wort. Der 26-Jährige schrieb, zusammen mit einem Bild, das ihn lächelnd mit verbundenem rechten Arm zeigte, dass er sich besser fühle. Zudem machte er seinen Teamkameraden Mut für das Spiel.
Die Frage lautete, wie seine Kollegen den Schock des Vorabends in dieser kurzen Zeit bereits hatten verarbeiten können. BVB-Torwarttrainer Wolfgang „Teddy“de Beer hatte im Gespräch mit unserer Redaktion vor dem Spiel erklärt: „Es ist so, dass wir darüber gesprochen haben. Die Jungs sind gefragt worden, wie sie sich fühlen. Und wenn einer sagen kann, er fühlt sich absolut nicht in der Lage zu spielen, dann ist es ihm auch freigestellt.“Das Ergebnis: Alle Spieler wollten dabei sein. Geschlossen trugen sie beim Auf- wärmprogramm ein Shirt mit dem Konterfei Bartras und dem spanischen Ausspruch „Mucha fuerza!“– viel Kraft! Auf dem Spielberichtsbogen ließ der BVB einen Platz für Bartra frei, meldete nur 17 statt 18 Spielern. Die Dortmunder Anhänger stülpten gelbe und schwarz glänzende Plastikponchos über und verwandelten ihre Südtribüne in ein strahlendes BVB-Wappen.
Stadionsprecher Norbert Dickel bedankte sich bei den mitgereisten Fans aus Monte Carlo für ihre Unterstützung. Die Dortmunder Fans erhoben sich, applaudierten laut- stark. Der Anhang aus dem Fürstentum wiederholte die „Dortmund, Dortmund“-Sprechchöre des Vortages. Zeichen der Verbrüderung im Kampf gegen den Terror.
Die auch sonst im Umfeld von Fußballspielen bereits starke Präsenz von Polizeikräften war noch mal erhöht worden. Insgesamt wirkte die Stimmung vor der Partie rund um das Stadion verhaltener. Der Geräuschpegel der Vorfreude war deutlich geringer als üblich. Hier und da konnte man vernehmen, dass die Gesprächsthemen beim obligatorischen Bier verrückt wa- ren. Statt um sportlichen Wettbewerb ging es um die Bedrohung der freien Gesellschaft. Sportpsychologe Jens Kleinert von der Deutschen Sporthochschule in Köln hatte mutmaßte: „Dieses Ereignis, das die Dortmunder Profis im Kopf haben, wird den ein oder anderen Profi unterbewusst irritieren. Das merken die Spieler selbst gar nicht. So ein Erlebnis ist erst einmal drin im Kopf. Und selbst wenn ein Spieler sich auf ein Spiel konzentrieren kann, ist dieses Bild unterbewusst da, und es kann unterbewusst auch jede Handlung beeinflussen.“
Die Partie startete verhalten. Beide Teams tasteten sich behutsam ab. In der Startelf des BVB stand auch Matthias Ginter. Der Verteidiger war bereits im November 2015 in unmittelbarer Nähe der Terroranschläge in Paris. Damals hatte die deutsche Nationalelf ein Freundschaftsspiel ausgetragen, als drei Selbstmordattentäter außerhalb des Stade de France sich und einen Passanten in den Tod rissen. Ginter spielte solide, konnte den Rückstand durch Kylian Mbappé (19.) aber auch nicht verhindern. Pech: Frankreichs Jungstar stand im Abseits. Zuvor hatten die Hausherren Glück. Einen von Sokratis verursachten Foulelfmeter schoss Monacos Fabinho neben das Tor (17.). Gerade als der BVB besser ins Spiel zu kommen schien, traf Sven Bender per Kopf ins eigene Netz – 0:2 (35.).
Der eingewechselte Christian Pulisic brachte nach der Halbzeit neuen Schwung. Angepeitscht vom immer enthusiastischer werdenden Dortmunder Publikum, das trotz der kurzfristigen Spielverlegung fast vollständig die Ränge füllte, rannte der BVB dem Rückstand hinterher. Als Ousmane Dembélé (57.) den Anschlusstreffer erzielte, lag eine Aufholjagd spürbar in der Luft. Ein katastrophaler Fehlpass von Lukas Piszczek machte die Hoffnungen aber zunichte. Mbappé machte das 3:1 (79.) und sich zum Mann des Spiels. Zumindest verkürzte Shinji Kagawa noch auf 2:3 (84.) und hielt die Hoffnung damit aufrecht.
Mittelfeldspieler Nuri Sahin
Verteidiger Matthias Ginter
Torhüter Roman Weidenfeller
DFB-Präsident Reinhard Grindel
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Schalkes Kapitän Benedikt Höwedes