Immer weniger Eltern trauen sich Katechese zu
Das Wissen über Kirche hat abgenommen, deshalb richtet sich der Kommunionsunterricht verstärkt an die ganze Familie.
DÜSSELDORF Ruth Holten möchte ihren Sohn Felix auf dem Weg zu seiner ersten heiligen Kommunion begleiten. Dazu gehört für sie auch, dass sie sich aktiv bei den Vorbereitungen in der Gemeinde engagiert. Eine Katechetin im herkömmlichen Sinne, die sich ein Mal in der Woche mit den Kindern zusammensetzt und ihnen den Glauben näherbringt, ist sie aber nicht. In der Hückelhovener Pfarre St. Lambertus und St. Barbara, der Ruth Holten angehört, gibt es diese wöchentlichen Kommunionsstunden nicht mehr: Stattdessen helfen die Eltern bei einzelnen Projekten und Aktionstagen, die den Glauben der Kinder spielerisch vertiefen. Themen wie Erstbeichte und Eucharistie greifen die beiden Gemeindereferentinnen Brigitta Schelthoff und Brigitte Kempny im Religionsunterricht der Grundschulen auf.
Nicht nur in dieser Gemeinde hat sich der Kommunionsunterricht verändert, viele Pfarren suchen nach neuen, der Zeit angepassten Modellen: „Der Trend geht dahin, dass aus wöchentlichen Gruppenstunden Familiensamstage und Gottesdienste werden“, sagt Andrea Kett, Referentin im Bischöflichen Generalvikariat Aachen.
Das hat verschiedene Gründe: Zum einen seien die Kinder durch den Nachmittagsunterricht stark ausgelastet und könnten sich unter der Woche schwer konzentrieren. Ein wichtiger Aspekt ist aber auch, dass sich die Kirchensozialisation wesentlich verändert hat, wie Nicolaus Klimek, Referent für Sakramente und Katechese im Bistum Essen, erklärt. Konkret heißt das, dass Kirche und Religion im Alltag vieler Familien kaum noch eine Rolle spielt. Das wirkt sich auf die Erziehung aus: „Für Insider ist es manchmal erstaunlich, dass die Kinder das Kreuzzeichen oder das ,Vater unser’ nicht mehr kennen“, sagt Kett.
„Wir stellen in allen Gemeinden fest, dass die Familien von immer weiter her kommen, und damit ist nicht der örtliche Bezug gemeint“, sagt Pastor Michael Tewes aus dem Seelsorgebereich Neuss/West. Seit Februar kommen dort die Kommunionskinder wöchentlich zusam- men, von September bis Dezember gab es drei Familientreffen: Eltern und Kinder bastelten gemeinsam einen Gebetswürfel und lernten in einer Kirchenrallye den liturgischen Raum kennen.
Dass die Eltern ihren Glauben meist selbst wieder auffrischen, wirkt sich auf die Katecheten-Suche aus. „Es ist nicht so, dass es keine engagierten Eltern mehr gibt“, erzählt Andrea Kett, „aber viele zögern zunächst. Sie sind sich nicht sicher, ob sie die Inhalte richtig vermitteln können.“Und noch etwas hat sich verändert. „Die Eltern haben andere Belastungen, meistens sind beide berufstätig und teilweise alleinerziehend“, sagt etwa Claudia Meuser, Gemeindereferentin der Gemeinde St. Remigius in Viersen.
Wenn Eltern in die KommunionsVorbereitungen integriert werden, geht es nicht nur um ihre aktive Hilfe, sondern auch darum, dass sie sich gedanklich einklinken können. „Eine Studie hat ergeben, dass der Unterricht nachhaltiger ist, wenn die Eltern mit einbezogen werden“, sagt Klimek. Sie sind dann beispielsweise vorbereitet, wenn die Kinder mit neuen Fragen auf sie zukommen. Wenn die Kinder für das Gelernte keinen Resonanzraum zu Hause finden, kann der gesäte Samen nicht aufgehen, bestätigt Christoph Rütten, Gemeindereferent der Pfarre Sankt Vitus Mönchengladbach, aus langjähriger Erfahrung.
Vom klassischen Unterricht mag man in den Bistümern nicht mehr sprechen. Da es den Eindruck vermittelt, dass es dabei um ein reines Auswendiglernen von Fakten geht, sagt etwa Christian Breuer, Pressesprecher vom Bistum Münster. „Ziel der Katechese ist es, den Kindern zu ermöglichen, die Glaubensinhalte zu verstehen und zu begreifen. Das betrifft auch die Angebote, die sich an die ganze Familie richten, die so ihren Glauben neu entdecken oder vertiefen können.“
„Ich habe viel aus der Zeit mitgenommen“, sagt Ruth Holten über die Kommunionszeit ihres Sohnes. „Dadurch habe ich auch wieder mehr zur Kirche gefunden.“