Duin fordert Digital-Institut für NRW
Ein unabhängiges Zentrum soll zur Digitalisierung forschen und beraten. Unklar ist, ob in der SPD darüber Einigkeit besteht.
DÜSSELDORF Wer die Wahlplakate sieht, wähnt sich in einer WohlfühlOase: Lachende Kinder, fröhliche Senioren, Arbeiterinnen mit Hunden auf dem Schoß – und mitten in all dieser Glückseligkeit die Landesmutter, Hannelore Kraft. Alles ist gut, lautet die Botschaft, mit der die SPD-Spitzenkandidatin in den Landtagswahlkampf zieht, während sich ihr Konkurrent, FDP-Chef Christian Lindner, im Wahlwerbespot in Unterhemd und Turnschuhen zum Häuptling der Digitalszene des Landes aufschwingt.
Immerhin: Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) wagt noch einmal einen neuen Vorstoß, wie die digitale Wirtschaft im bevölkerungsreichsten Bundesland langfristig gestärkt werden könnte. Er fordert ein Digital-Institut. „Diese Denkfabrik und Nachwuchsschmiede könnte ein wichtiger Taktgeber für Unternehmen, Hochschulen und nicht zuletzt für die Politik werden“, sagte Duin unserer Redaktion.
Dort könnte nicht nur zu verschiedenen Aspekten der Digitalisierung geforscht werden, die Mitglieder könnten auch lehren und beraten, heißt es in Duins Ministerium. Die Besonderheit läge in der Konstruktion des Instituts, denn die Hochschullehrer sollen nicht nur an einem Standort, sondern an vielen NRW-Hochschulen im Einsatz sein.
Vorbild ist das „Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie“, kurz: Wuppertal-Institut. Es wurde 1991 vom damaligen Ministerpräsidenten Johannes Rau (SPD) ins Leben gerufen, weil man den globalen Klimawandel als große Herausforde- rung wahrnahm. NRW würde, so die Überlegung, als bedeutender Energiestandort mit Stein- und Braunkohle besonders stark von zu reduzierenden Treibhausgas-Emissionen betroffen sein. Das Institut sollte daher nach Lösungen forschen – und gleichzeitig Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Wirtschaft sein.
Die Digitalisierung dürfte für den Standort NRW eine ähnlich große Herausforderung darstellen, bedroht sie doch immerhin viele traditionelle Geschäftsmodelle. Duins Beratergremium, der Beirat „Digitale Wirtschaft“, schlug dem Minister deshalb vor, den Ansatz des Wuppertal-Instituts zu übernehmen. Sogar ein Gutachten wurde bereits erstellt, um das Potenzial zu untersuchen. „Wir brauchen dringend für die Digitale Wirtschaft die passend ausgebildeten Köpfe aus den Hochschulen – für die bestehenden Unternehmen aber auch die neuen Start-ups“, sagt Duins Digitalbeauftragter Tobias Kollmann: „Ein Institut könnte schnell die dafür benötigte Lehre in den Hochschulen verankern.“
Das Wuppertal-Institut ist als gemeinnützige GmbH gegründet worden, es kann auch Gelder aus der Wirtschaft einwerben. Das Institut untersteht dem Wissenschaftsministerium, Aufsichtsratsvorsitzender ist dessen Staatssekretär. Laut Haushaltsplan 2017 fließen knapp vier Millionen Euro an das Institut.
Ähnlich könnten auch Aufbau und Ausstattung eines Digital-Instituts aussehen. Festlegen will man sich im Wirtschaftsministerium noch nicht, ein Sprecher sagt jedoch: „Das Budget müsste mehrere Millionen Euro umfassen, damit das Institut seine Ziele erreichen kann.“Die Hälfte könne aus der Wirtschaft kommen, die schon großes Interesse gezeigt habe.
Gespräche zwischen Duin und seiner Kollegin, Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) hat es bereits gegeben, auf Fachebene wurde ebenfalls diskutiert. Ob es aber auch eine gemeinsame Linie gibt, ist unklar. Schulze betonte unlängst bei der Eröffnung des „Center for Advanced Internet Studies“in Bochum, dass es mit diesem ein wissenschaftliches Zentrum geben werde, bei dem Fragen der Digitalisierung im Mittelpunkt stehen sollen. Warum also ein weiteres Zentrum gründen, mag sich da so mancher in ihrem Haus denken. In seiner Antwort auf eine Anfrage verweist das Wissenschaftsministerium jedenfalls auf eine Vielzahl von Forschungseinrichtungen, die sich bereits um die verschiedenen Facetten der Digitalisierung kümmern.
Duin macht jedoch klar, dass er diese Idee zum Thema möglicher Koalitionsverhandlungen machen werde: „Jede künftige Landesregierung wird entscheiden müssen, wie sie das Ressort-übergreifende Thema Digitalisierung verankert.“Am Ende wird es vielleicht so sein wie beim Vorbild: Beim Wuppertal-Institut gab Ministerpräsident Rau den Startschuss. Ob Nachfolgerin Kraft ähnliches plant? Eine entsprechende Anfrage blieb unbeantwortet.