ULRICH BIEDENDORF/SVEN SCHULTE „Der Handel hat viele Verbündete“
Dr. Ulrich Biedendorf, Geschäftsführer bei der IHK, und Sven Schulte, Referent für Handel, Stadtentwicklung und Stadtmarketing bei der IHK, sprechen über Herausforderungen für den Handel und die Fortsetzung des Round Table.
Was ist Ihr Eindruck nach dem Round Table: Wie geht es dem Düsseldorfer Handel? DR. ULRICH BIEDENDORF Das hängt von den Rahmenbedingungen ab, und die sind mit Blick auf die Innenstadt und die Stadtteile unterschiedlich. Die Händler in der Innenstadt müssen sich in den nächsten Jahren keine Sorgen um die Passantenfrequenz machen. Die Menschen wollen zum Rhein, wollen Kaffee trinken oder einfach gucken. Wenn die Händler auf den Spieltrieb der Menschen setzen und die technischen Hilfsmittel richtig einsetzen, haben sie alle Chancen, aus den Passanten auch Kunden zu machen. Und wie ist die Situation in den Stadtteilen? BIEDENDORF Die Stadtteile leiden unterschiedlich unter der Sogwirkung der Innenstadt. Es gibt einige, die mit einem eigenen Profil Anziehungskräfte entwickeln, und andere, die schauen müssen, wie sie ihr Quartier weiterentwickeln. Da müssen sich die Händler vor Ort fragen, ob der Handel alleine zieht oder ob sie sich Unterstützung suchen, also Passanten auch mit Hilfe von Gastronomie anlocken. Großes Thema der Runde war die Digitalisierung. Welche Rolle spielt sie in diesem Zusammenhang? SVEN SCHULTE Die Chance für den Handel ist das Erlebnis. Zunächst einmal muss er digital so aufgestellt sein, dass der Kunde sich bequem auf der Couch über ihn und seine Produkte informieren kann. Und dann muss der Händler den Kunden dort überzeugen, dass er ein Mehr geboten bekommt, wenn er ins Geschäft kommt. Nehmen Sie Edeka Zurheide: Dort ist es gelungen, Wasserkistenkaufen zum Erlebnis zu machen. Und das können nicht nur die Großen, das können auch die kleinen Einzelhändler. Welche positiven Beispiele für Digitalisierung im Handel haben Sie kennengelernt? BIEDENDORF Mich hat beeindruckt, wie Herr Ohm als Buchhändler sich neu aufgestellt hat und sein Geschäft in Benrath mit digitalen Möglichkeiten gestaltet hat. Auch die Neuausrichtung von Walgenbach in Eller ist eine Antwort darauf, wie man mit den veränderten Kundengewohnheiten gut umgehen kann. Das Engagement an der Lorettostraße zeigt, wie man Erlebnisse schaffen kann, und bei Foto Koch an der Schadowstraße sehen Sie, wie jemand bis hin zur Logistik bereit ist, neue Dinge auszuprobieren und sein Geschäft umzukrempeln. Wenn es in Vierteln den Händlern nicht alleine gelingt, Anziehungskraft auszuüben, wer kann sie unterstützen? BIEDENDORF Es gibt sehr pfiffige und rührige Interessengemeinschaften, die es schaffen, Gastronomen für ihre Straße zu begeistern. Der Hotel- und Gaststättenverband kann also ein Ansprechpartner sein. Weitere Unterstützung kann aus der Immobilienwirtschaft kommen. Die Entwickler wissen, wie wichtig zusätzliche Angebote für die Attraktivität sind. Und es muss ja auch nicht nur Gastronomie sein, es können auch andere Angebote, etwa kulturelle sein. Die Birkenstraße ist ein Beispiel dafür, wie Galerien Menschen ins Viertel bringen, die dann entdecken, dass es dort auch tolle Einkaufsmöglichkeiten gibt. Der Handel kämpft nicht alleine, er hat viele Verbündete. Welche Rolle spielt die Stadt dabei? SCHULTE Da gibt es verschiedene Ansätze. Garath 2.0 ist ein ganz breiter Ansatz für einen Stadtteil. Das werden nun die ersten Punkte umgesetzt, dort ist nun ein Café in der Freizeitstätte eröffnet worden. Dann gibt es Arbeitskreise aus Politik und Interessengemeinschaften wie zum Beispiel an der Friedrichstraße oder Kreise, in denen auch die ImmobilienEigentümer mit im Boot sind, wie an der Westfalenstraße in Rath oder an der Graf-AdolfStraße. BIEDENDORF Bisher hat der Handel als Magnet funktioniert und die Stadt konnte um ihn herum ein Quartier entwickeln. Das ist in bestimmten Lagen heute so nicht mehr zu halten. Auch die Stadtplanung muss sich deshalb fragen, vor welche Herausforderung der Online-Handel sie stellt. Ich bin da optimistisch, denn wir haben die Stadt bei all diesen Entwicklungen immer als konstruktiven und progressiven Partner kennengelernt. Wie unterstützt die IHK? SCHULTE Wir machen Befragungen und Erhebungen, um zu schauen, wo ein Stadtteil oder ein Quartier steht. Darauf aufbauend, entwickeln wir gemeinsam eine Stadtteil-Marketing-Strategie und sind Partner bei der Umsetzung. Das kann auch bedeuten, dass wir ein Konzept für mehr Generationenfreundlichkeit erarbeiten oder dabei helfen, Notinseln für Kinder zu schaffen. Wir sind zudem Netzwerker und bringen die Händler mit Menschen und Informationen zusammen, etwa zur Tour de France oder zu neuen Angeboten der Rheinbahn. Und wir sind Stimme für die Händler, wir sammeln und bündeln die Stimmen und kommunizieren dann mit dem Rathaus. Das war bei der Bender- und der Schadowstraße der Fall, das ist auch aktuell bei der Nordstraße so. Das können nicht alles die Ehrenamtler in den Interessengemeinschaften leisten. BIEDENDORF Wir machen auch Politik- und Verwaltungsberatung. Das klingt erst einmal dröge, ist aber für das Quartier nachher wichtig. Wenn es zum Beispiel um die Bauleitplanung für ein Projekt geht, dann besprechen wir mit der Stadt, ob und wie das Projekt passt. Wir haben das große Ganze im Blick und beraten, welche Auswirkungen die einzelne Entscheidung auf das gesamte Quartier haben kann. Wie geht es nach dem Round Table weiter? BIEDENDORF Angesichts der positiven Reaktionen wollen wir gerne im Herbst zu einer weiteren Veranstaltung einladen. Wir erarbeiten im Moment das passende Format. Inhaltlich wollen wir uns dann tiefergehend mit der Digitalisierung beschäftigen.