Asphalt-Festival beginnt mit Überraschungen
Zum Auftakt des Sommer-Kunstfestes gab es Konzerte, eine Fotoschau, die nach Japan blickt – und eine Klavierlieferung für die U-Bahn.
Als er auf einer seiner vier Japanreisen einmal in einen ländlichen Ort kam, erlebte Philipp Rathmer etwas, das für ihn den Gegensatz zwischen globalisierter High-Tech-Nation und jahrhundertelang isoliertem Inselstaat auf den Punkt brachte: In einem kleinen ländlichen Ort traf er auf ein Kind, das ihn ansah, und sofort in Tränen ausbrach. Es hatte offenbar noch nie einen europäischen Touristen gesehen, noch
„Ich glaube, es gibt kein Land, in dem die Tradition so gut bewahrt wurde wie in Japan“
Philipp Rathmer
Fotograf
dazu mit stechend blauen Augen und blonden Haaren. Vom Nebeneinander von alt und neu, von fremd und vertraut handelt auch die FotoAusstellung „Ach so“, die Rathmer zum Auftakt des Asphalt-Künstlerfestivals im Backraum des Weltkunstzimmers eröffnete.
Immer wieder habe Rathmer das Gefühl eines „Ach so“-Erlebnisses gehabt, als er durch das Land reiste. In seinen Bildern jedoch bleibt einiges rätselhaft. Zum Beispiel das Pärchen, das auf einer Picknickdecke in einem Park in Tokio sitzt. Der Blick der beiden ruht auf der Autobahn direkt vor ihrer Nase, in ihrem Rücken (und unsichtbar für den Betrachter) liegt ein großer Park mit blühenden Bäumen. „So würde doch hier keiner Picknick machen“, sagt Rathmer.
Der 48-Jährige hat mit seinen Bildern in Kyoto, Kobe, Seki und Tokio alle möglichen Momente eingefangen, mal Alltägliches, mal Seltsames: ein Autobahnparkplatz in der Kirschblüte, tätowierte Raucher auf der Straße, ein Geschäftsmann im Anzug, den Kopf verzweifelt in die Hände gelegt.
Beim Rundgang durch die Ausstellung zeigen die Bilder dem Besucher Ausschnitte aus jahrhunderte- alter Tradition und scheinbar flüchtigen Trends: Rockabilly-Jugendliche mit Schmalztolle, Schwertschmiedemeister an der Esse, ein Fischmarkt, der laut Rathmer kein bisschen nach Fisch gerochen hat. Der Berg Fuji, wahrscheinlich das am meisten abgebildete Naturdenkmal Japans, hat Rathmer mehrfach abgelichtet, jedes Mal aus dem fah- renden Auto heraus. Zwar im Mittelpunkt des Bildes, aber beinahe schwer zu entdecken zwischen Himmel, Leitplanke und Straßenasphalt.
„Ich glaube, es gibt kein Land, in dem die Tradition so gut bewahrt wurde wie in Japan“, sagt der Fotograf. Schaffner, die sich verbeugen, bevor sie die Fahrkarte fordern, die Esskultur, in der viel Wert auf Schlichtheit, Trennung der Zutaten und optische Präsentation gelegt wird. Alles versucht Rathmer in Fotos auszudrücken, denen er dann wieder Bilder gegenüberstellt, die das Unerwartete, scheinbar Untypische und oft Unerklärliche des japanischen Alltags zeigen. Auf einer Bilderserie ist eine Kreuzung bei Nacht zu sehen, auf die Kamera laufen hunderte Frauen zu, nichts lässt darauf schließen, wo sie herkommen oder was sie verbindet. Unerklärlich für Rathmer auch die PachinkoHallen, in denen Japaner sich von Glücksspielautomaten brüllend laute Musik entgegenschleudern lassen. „Auf den Bildern sieht das ganz entspannt aus“, sagt der 48Jährige. Unerklärlich die Faszination für die Gruppe „AKB48“, eine sogenannte Idol-Band, die mit 48 Sängerinnen teamweise das gesamte Tokio bespielen.
„Wenn man mehr über das Land erfährt, hat man immer wieder diesen ,Ach so ist das’-Moment“, sagt Rathmer. Daher auch der Titel der Schau. „Ach so“(A so), erklärt der Fotograf, sagen sogar die Japaner, wenn sie verständige Zustimmung ausdrücken wollen.