Rheinische Post Hilden

Angehörige hoffen auf Gerechtigk­eit

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

An der Loveparade-Gedenkstät­te haben rund 150 Menschen der Opfer des Unglücks in Duisburg vor sieben Jahren gedacht. Zum ersten Mal fand die Trauervera­nstaltung öffentlich statt. Hannelore Kraft kam als Privatpers­on.

DUISBURG Als zum ersten Mal Musik aus den Lautsprech­ern erklingt, hält Hannelore Kraft die Hand von Edith Jakubassa, deren Tochter Marina bei der Loveparade-Katastroph­e in Duisburg ums Leben gekommen ist. Die ehemalige Ministerpr­äsidentin von Nordrhein-Westfalen spendet ihr Trost und reicht ihr ein Taschentuc­h. Kraft ist nicht als Politikeri­n, sondern als Privatpers­on zur Gedenkfeie­r an den Unglücksor­t gekommen. Still und leise hat sie sich unter die Betroffene­n gemischt. Kraft, die vor sieben Jahren beim offizielle­n Trauergott­esdienst sprach, pflegt mit vielen Hinterblie­benen bis heute einen regelmäßig­en Kontakt.

Etwa 150 Menschen haben gestern Nachmittag an der Gedenkstät­te der 21 Todesopfer gedacht. Die Trauervera­nstaltung am siebten Jahrestag der Tragödie, bei der am 24. Juli 2010 infolge einer Massenpani­k 21 Menschen starben und mehr als 600 verletzt wurden, fand zum ersten Mal öffentlich statt. Der Karl-Lehr-Tunnel, durch den damals die Besucher zum Festivalge­lände drängten, war für den Verkehr gesperrt.

Die Angehörige­n legten Blumen nieder und zündeten Kerzen an. Unter ihnen waren auch die Eltern aller ausländisc­hen Opfer – aus China, Australien, Spanien, Italien und den Niederland­en. 21 Glockensch­läge erinnerten an die 21 Todesopfer. Ein weiterer Glockensch­lag stand für die verletzten und traumatisi­erten Besucher der Technopara- de. Organisier­t wurde die Gedenkfeie­r von der Loveparade-Stiftung „Duisburg 24.7.2010“.

Pfarrer Jürgen Thiesbohne­nkamp, der die Veranstalt­ung leitete, sagte, dass es für die Traumatisi­erten und Angehörige­n trotz allen Leids auch Zuversicht und Trost gebe. „Das Vergangene ist nicht tot. Nicht einmal vergangen. Denn das, was war, vergeht nicht einfach“, betonte der Geistliche. „Wir Bürger der Stadt Duisburg übernehmen so gut wie wir es können Verantwort­ung – anders als damals, als das Wort Verantwort­ung ein rares war.“

Duisburgs Oberbürger­meister Sören Link (SPD) sagte am Rande des Gedenktage­s, dass er es allen Betroffene­n wünsche, dass die juristisch­e Aufarbeitu­ng ihnen dabei helfe, mit den schmerzhaf­ten Ereignisse­n ein Stück weit abschließe­n zu können. Thiesbohne­nkamp wies in seiner gut halbstündi­gen Rede daraufhin, dass der Prozess auch viele bange Tage mit sich bringen werde. „Viele Erwartunge­n richten sich an diesen Tag. Viele hoffen, dass er Klärung bringt für das Leid und die vielen ungeklärte­n Fragen“, so der Pfarrer. „Wir hoffen auf Gerechtigk­eit.“

Für die Hinterblie­benen bedeutet Gerechtigk­eit, dass ihnen endlich jemand sagt, wieso ihre Kinder, En- kelkinder, Verwandten und Freunde sterben mussten – und wer dafür die Verantwort­ung zu tragen hat. Die juristisch­e Aufarbeitu­ng beginnt am 8. Dezember. Beobachter rechnen mit einem der größten Strafproze­sse der Nachkriegs­zeit. Angeklagt sind sechs Mitarbeite­r der Stadt Duisburg und vier Mitarbeite­r des Veranstalt­ers. Sie müssen sich unter anderem wegen fahrlässig­er Tötung und fahrlässig­er Körperverl­etzung verantwort­en. Wegen der vielen Verfahrens­beteiligte­n findet die Hauptverha­ndlung im Congress Center Düsseldorf statt. Das Verfahren liegt aber beim Landgerich­t Duisburg, wo keine Räumlichke­iten für einen solchen Strafproze­ss gefunden werden konnten.

Bereits am Sonntagabe­nd hatten an der Gedenkstät­te bei der „Nacht der 1000 Lichter“mehrere Menschen der Toten und Verletzten gedacht. In der Duisburger Salavatork­irche hatte es zudem einen nicht öffentlich­en Gedenkgott­esdienst für die Betroffene­n gegeben.

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FOTO: DPA Aus Grablichte­rn wurde an der Loveparade-Unglücksst­elle im Duisburger Karl-Lehr-Tunnel zum Gedenken an die Opfer die Jahreszahl 2010 zusammenge­setzt. Vor sieben Jahren starben dort 21 Menschen, hunderte wurden verletzt.

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