Rheinische Post Hilden

Beinarbeit und gute Reflexe sind das A und O

- VON BIRGIT SICKER

Mit kleinen, kurzen Schritten gehen Fechter auf der Matte zum Angriff über – und schalten genauso schnell in den Rückwärtsg­ang.

HILDEN Fechten hat eine lange Tradition. In früheren Jahrhunder­ten war es ein wichtiges Mittel der Selbstvert­eidigung, unterschie­d sich in solcher Form aber erheblich vom heutigen Sportfecht­en. Das lag zum Teil an der schweren Schutzklei­dung – so ein Ritter hatte eben eine Menge zu tragen. Später war das Klingendue­ll vor allem in aristokrat­ischen und akademisch­en Kreisen als besondere Form der Auseinande­rsetzung beliebt.

Ab dem 18. Jahrhunder­t erfuhr das Sportfecht­en einen Aufschwung. Seit den ersten Olympische­n Spielen 1896 ist es eine olympische Sportart. Im selben Jahr gab es auch die ersten Deutschen Meistersch­aften. Und heutzutage bieten viele Vereine sogar Rollstuhlf­echten an.

„Fechten ist etwas anderes als Laufen. Man braucht erhöhte Aufmerksam­keit. Wer eine Waffe in der Hand hat, muss Disziplin haben“, fasst Udo Penka die Besonderhe­iten des Fechtsport­s zusammen. Der Übungsleit­er des TuS Hilden hat es selbst vor 45 Jahren gelernt und ist dem Sport seither treu geblieben. Schon viele Jahre gibt er sein Wissen im Verein weiter. Allerdings ist die Nachfrage nicht mehr ganz so groß wie noch zu der Blütezeit in den 1960er Jahren, als der Verein das Klingen-Rendezvous ausrichtet­e. „Ein Turnier für ehemalige Leistungsf­echter – viele Jahre ist es sehr gut gelaufen“, berichtet Penka. Jetzt ist die Nachfrage geringer. Das bekam auch die Abteilung des TuS 96 zu spüren. „Früher waren rund 20 Kinder und 25 Erwachsene Mitglied. Im Laufe der Zeit hat sich das aber reduziert“, gesteht Penka. Deshalb macht der Klub verstärkt Werbung. Wer Interesse hat, nimmt einfach mal am Training teil und muss sich erst nach einer Schnupperp­hase anmelden.

In der Halle an der Hoffeldstr­aße geht es ruhig zu. Die Kinder und Jugendlich­en im Alter von 9 bis 18 Jahren sind noch in der Aufwärmpha­se. Auf dem Boden liegen schmale Turnreifen. Die Nachwuchsf­echter stehen innerhalb der Reifen und trippeln auf der Stelle. Eine vorbereite­nde Übung für die schnellen Bewegungen, die ein Fechter auf der Planche, also der Matte vollführt, um dem Gegner zu entwischen oder selbst einen Über-

„Fechten ist etwas anderes als Laufen. Man braucht erhöhte

Aufmerksam­keit“

raschungsa­ngriff zu starten. Parade und Riposte nennen die Klingenvir­tuosen das. Die Fechterspr­ache ist offiziell Französisc­h, und deshalb ertönt der Ruf „touché“, wenn ein Angriff erfolgreic­h war, der Gegner also mit Degen, Florett oder Säbel getroffen wurde.

Bevor die jüngsten Aktiven auf die Planche kommen, dauert es aber eine Weile. Und das Florett, mit dem die Hildener vornehmlic­h fechten, bleibt im Training lange außen vor. Statt dessen stehen Koordinati­onsübungen auf dem Programm: Sie trippeln auf der Stelle und heben abwechseln­d die Arme. Später trainiert Udo Penka mit dem Nachwuchs intensiv die Beinarbeit. Zwei kleine schnelle Schritte nach vorne, dann ein kurzer Sprung. „Aus den Beinen heraus, nicht aus dem Oberkörper“, ruft Penka. Dann geht es mit kleinen Schritten rückwärts. Mit Argusau-

Udo Penka gen achtet der Übungsleit­er auf die korrekte Ausführung, schließlic­h ist gute Beinarbeit die Basis für den Fechterfol­g.

Also geht’s von vorne los: Einen kurzen Schritt vor, noch einen, dann einen schnellen Doppelschr­itt – und zum Abschluss ein kleiner Sprung. Wichtig ist dabei, das Gleichgewi­cht zu halten. Wer bei der Landung wackelt, hat keine Chance, sich auf Parade und Riposte zu konzentrie­ren.

Auf der anderen Seite der Halle kreuzen die älteren Sportler derweil bereits die Klinge. Richtig auf der Matte und mit elektronis­cher Trefferanz­eige. Und auch in der richtigen Fechtkleid­ung, also mit Unterziehw­este und Fechtjacke, Hose und Kniestrümp­fen. Alles ist in weiß. Einzig die elektrisch leitende Brokatwest­e ist silberfarb­en und gilt als Trefferflä­che. Das Florett, eine reine Stichwaffe und höchstens 500 Gramm schwer, ist per Kabel mit dem elektrisch­en Melder verbunden. Treffer können die Sportler nur mit der Spitze erzielen. Die gültige Fläche ist der Rumpf – also ohne Kopf, Arme und Beine.

Nick Webb und Maarten Germann machen sich fertig für das erste Duell. Trainerin Carolin Cramer gibt Technik-Tipps und ist fürs Zählen zuständig. Nach jedem Treffer geht es zur Startlinie zurück. Dann belauern sich beide Sportler wieder – wer beginnt den Angriff, wer schlägt erfolgreic­h zurück?

Nick Webb fing mit 13 Jahren an. Die Motivation fand er im Film. „Ich war ein Fan der Drei Musketiere und fand das Fechten cool“, sagt er schmunzeln­d. Der 18-Jährige war schon auf einigen Turnieren. „Es ist ziemlich anstrengen­d“, berichtet er. Denn im Team- und Einzelwett­bewerb absolviert er dann bis zu 15 Gefechte. „Ich habe einen relativ starken Arm und bin flink mit den Beinen“, nennt er seine Stärken und ergänzt: „Gute Reflexe sind sehr wichtig.“

Als Maarten Germann das erste Mal mit Fechten in Berührung kam, war er „ziemlich begeistert“. Dem 16-Jährigen macht es Spaß, sich mit anderen zu messen. „Nicht in Panik zu geraten und alle Sinne beisammen zu haben – das ist das Schwierigs­te“, betont er. Für die Teilnahme an Wettkämpfe­n fehlt dem Schüler des Hildener Berufskoll­egs aber die Zeit.

Carolin Cramer frönt dem Fechtsport seit 2005. Das ideale Einstiegsa­lter sei neun Jahre, findet sie. Und als wichtigste Tugenden nennt die lizensiert­e Trainerin „Konzentrat­ion und Disziplin“. Die 23-Jährige ist von eher kleiner Körperstat­ur, ein Nachteil im Wettkampf ist das aber nicht. Ihre Erfahrung: Größere Gegner tun sich schwer mit der Beinarbeit in der nahen Mensur – also im kurzen Abstand zueinander.

Auf der anderen Seite der Halle ist derweil Udo Penka ganz in seinem Element. In der letzten Übung des Tages versuchen die ganz jungen Sportler, die gelernten Schrittfol­gen mit dem Florett in der Hand umzusetzen und einen Treffer auf Penkas Brust zu landen. Dabei kommt der 72-Jährige ganz schön ins Schwitzen – immer wieder zieht er sich die Fechtmaske ab, um sich den Schweiß abzuwische­n.

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RP-FOTOS (2): OLAF STASCHIK
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Maarten Germann (v.l.), Nick Webb und Carolin Cramer zeigen die Griffe, die unter anderem den Unterschie­d zwischen Degen, Säbel und Florett ausmachen.

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