Briefe an die anderen
Heute feiert Deutschland seine Einheit, dabei scheint die Spaltung zwischen Ost und West auch 27 Jahre nach der Wiedervereinigung noch nicht vollzogen. Auch nicht in den Köpfen. Unsere Autoren – ein Ossi und ein Wessi – haben sich so ihre Gedanken gemacht.
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Baggerfahrer : Hauptberuf komprimiert
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Meine Reisen ins Märzland sind oft wie kleine Urlaubsreisen zu einem Ort, der interessant und auch lebendig und ein bisschen ungewohnt ist, der am Ende aber nichts oder nur sehr wenig mit mir zu tun hat. Ich spüre dann jedes Mal, wie viele Gesichter dieses Deutschland eigentlich hat, dieser nationale Überbau, diese historische Klammer. Den Segen der Einheit kann ich spielend leicht begründen, herleiten und als alternativloses Demokratieprojekt über den grünen Klee loben. Spüren und tief empfinden aber kann ich die Einheit – ehrlich gesagt – nicht. Sie bleibt eine Sache des Verstandes und ist keine Angelegenheit des Herzens.
Mein Bild vom Märzland ist das Bild eines Wessis, der nah der niederländischen Grenze und somit im größtmöglichen innerdeutschen Abstand zu Euch lebt. Und plötzlich frage ich mich, was ist, wenn wir uns alle überfordern mit einer Einheit, die – typisches deutsches Strebertum – gleich alles umfassen muss und selbstredend höchste Ansprüche stellt. Vielleicht geht es ja auch ein paar Nummern kleiner. Und dann hat es vielleicht auch ein Ende mit all dem bedächtigen Rumgekrampfe. Dann hat es vielleicht auch einen Anfang mit offener Ehrlichkeit. Nur wer ehrlich schimpft, kann sich auch ehrlich freuen, denke ich mir. Nächstes Jahr sag ich dann der Taxifahrerin, dass mir die Meckerei echt auf die Nerven geht und auch bei uns Schwimmbäder geschlossen werden und Kindergartenplätze fehlen. Dieser Brief ins Märzland ist also ein kleiner Anfang. Versprochen – am Tag der deutschen Einheit 2017. Der Wessi: Lothar Schröder, Jahrgang 1963, leitet die Kulturredaktion der Rheinischen Post. Der gebürtige Duisburger hat Germanistik, Philosophie, Geschichte und Politische Wissenschaften studiert. Schröder lebt in Düsseldorf.
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