Schulweg per Rad am gefährlichsten
Das Risiko eines Unfalls mit dem Fahrrad ist dem NRW-Verkehrsminister zufolge achtmal so hoch wie bei der Nutzung anderer Verkehrsmittel. Der Radclub ADFC fordert unter anderem mehr Verkehrserziehung.
DÜSSELDORF Das Fahrrad ist für Kinder auf dem Schulweg das mit Abstand gefährlichste Verkehrsmittel. Nach Angaben der Landesregierung ist die Unfallhäufigkeit achtmal höher, als wenn Schüler andere Verkehrsmittel benutzen. Dies geht aus einer Antwort von NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) auf eine kleine Anfrage der SPD-Abgeordneten Sarah Philipp zum Thema „Verkehrssicherheit für Kinder im ÖPNV“hervor.
Bringen die Eltern ihre Kinder mit dem Auto zur Schule, verursacht dies der Antwort des Ministeriums zufolge viermal mehr Schulwegunfälle als die Anfahrt per Bus oder Bahn. Etwa jedes zweite Schulkind zwischen sechs und 13 Jahren nutze in NRW regelmäßig öffentliche Verkehrsmittel. Die Ergebnisse belegen, wie schädlich die so genannten Eltern-Taxis sind. Neben der Unfallgefahr kritisieren Verkehrssicherheitsexperten und Pädagogen, dass Kinder durch die Bringdienste unselbstständig werden und sich noch unsicherer im Straßenverkehr bewegen. „Eltern nehmen ihren Kin- dern eine Entwicklungsmöglichkeit und gefährden sehr häufig die eigenen und andere Kinder“, sagte kürzlich Kurt Bodewig, Präsident der Deutschen Verkehrswacht. An manchen Grundschulen parkten die Autos der Eltern in zweiter oder gar in dritter Reihe. Das behindere den Verkehr und erhöhe die Gefährdung für weitere Verkehrsteilnehmer. In anderen Ländern ist das Problem mancherorts so groß, dass etwa Kantone in der Schweiz inzwischen hohe Bußgelder verlangen, wenn Eltern ihre Kinder mit dem Auto zur Schule bringen.
Die Zahlen offenbaren zugleich, welch hohes Risiko Schüler eingehen, die mit dem Rad fahren. NRWVerkehrsminister Wüst beruft sich in seiner Antwort auf die Anfrage der SPD zwar auf Zahlen aus dem Jahr 2004. Doch die jüngste verfügbare Statistik der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) kommt zum selben Resultat: 2015 waren Radfahrer in knapp die Hälfte aller meldepflichtigen Verkehrsunfälle mit Schülern verwickelt. Auf Fußgänger hingegen entfielen nur 8,4 Prozent der Verkehrsunfälle. Am sichersten ist demnach der Schulbus mit 4,7 Prozent.
Mit 24 tödlichen Schülerunfällen schnitt NRW 2015 im Bundesländervergleich schlecht ab. Im bevölkerungsreichsten Bundesland kamen der DGUV-Statistik zufolge dreimal so viele Kinder ums Leben wie im nächstplatzierten Land Niedersachsen. Wie viele tödliche Unfälle auf Radfahrer entfielen, wurde allerdings nicht eigens erhoben.
„In ganz Deutschland herrschen extrem unzureichende Bedingun- gen für sicheres Radfahren, die Kinder sind dabei in besonderem Maße die Leidtragenden“, sagte Daniel Wegerich, Landesgeschäftsführer des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC). Der Verband fordert besser ausgebaute und sicherere Radwege sowie einen höheren Stellenwert der Verkehrserziehung in Schulen. „Fahrradschulungen als Teil des Unterrichts und Verkehrsübungsplätze werden immer seltener“, kritisierte Wegerich. Stattdessen erreichten den ADFC vermehrt Anrufe verärgerter Eltern, weil Schulleiter den Kindern die Anfahrt per Rad untersagen würden. Nicht selten werde behauptet, die Kinder seien nicht versichert. „Das entspricht nicht den Tatsachen“, so Wegerich. Hintergrund für die Panikmache seien häufig fehlende Abstellmöglichkeiten für Räder.
Auch die Grünen fordern Konsequenzen. „Unsere Städte müssen insgesamt fahrradgerechter werden, damit unsere Kinder und Jugendlichen sich frei bewegen können und nicht auf das Elterntaxi angewiesen sind“, sagte NRW-Grünen-Chefin Mona Neubaur.