Rheinische Post Hilden

Fragwürdig

- Thomas Boller, Düsseldorf

Über den Artikel, der sich mit dem Flugzeugab­sturz in Hochdahl-Trills befasst und den dabei ums Leben gekommenen Menschen gedenkt (RP vom 18. November), habe ich mich gefreut. Die Hochdahler Heimatfors­cherin Hanna Eggerath und ich haben intensiv die Hintergrün­de dieses traurigen Ereignisse­s über mehrere Jahre erforscht. Nachdenkli­ch und kritisch stimmt mich dagegen die Äußerung von Herrn Kohl, der Pilot hätte mit einem Befehl zum Absprung aus dem Flugzeug der gesamten Besatzung das Leben retten können. Wenige Minuten vor dem Absturz wurde der HalifaxBom­ber mehrfach von einem deutschen Nachtjäger attackiert. Nach dem zweiten Angriff war das britische Flugzeug derart heftig getroffen, dass es nicht mehr steuerbar war. Der heute 92-jährige Jim McPhee, damals Heckschütz­e, un- terstrich dies, indem er berichtete, dass er, kurz bevor er bewusstlos wurde, noch mitbekam, wie das große Heckleitwe­rk des Bombers auseinande­r barst. Der Pilot A. Steeves fügte hinzu, dass das Flugzeug „von vorne bis hinten von Geschossen durchsiebt und die Instrument­e im Cockpit zerstört wurden.“Warum sollte A. Steeves in dieser aussichtsl­osen Situation keinen Befehl zum Absprung gegeben haben? Er selbst gab am 15. Mai 1945 zu Protokoll, dass „mein Befehl zum Absprung nicht erwidert wurde“. Jim McPhee kann sich tatsächlic­h nicht an einen gleichlaut­enden Funkspruch erinnern. Möglicherw­eise war der Befehl über den Bordsprech­funk für die Besatzung nicht mehr vernehmbar, da die elektrisch­e Anlage nicht mehr funktionie­rt hat. Wie auch immer: Dem mittleren Bordschütz­en wäre wahrschein­lich bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu helfen gewesen: Er wurde zuvor, während des Nachtjäger­angriffs, schwer verwun- det. Warum sollte A. Steeves, der selber schwer verletzt war, in dem nicht mehr steuerbare­n und abstürzend­en Flugzeug weiter verharren? Auf dem Weg zur Notausstie­gsluke in der Flugzeugna­se begegnete er noch dem Navigator, doch dieser wollte oder konnte trotz angelegtem Fallschirm nicht abspringen – auch das gab Steeves zu Protokoll. Ich habe mich ebenfalls kritisch mit der Frage auseinande­rgesetzt, warum der Pilot in Kneteisen bei Haan mit dem Fallschirm gelandete, während das Flugzeug in Hochdahl-Trills niederging. Die Distanz dazwischen beträgt etwa sechs Kilometer. Selbst bei sehr langsamem Flug hätte die Flugzeit nicht einmal anderthalb Minuten gedauert. Sollte die Flughöhe allerdings noch ausreichen­d hoch gewesen sein, könnte der abgesprung­ene Pilot durchaus mehrere hundert Meter mit dem Fallschirm abgetriebe­n worden sein. Jim McPhee äußerte sich hierzu mir gegenüber: „Unser Pilot war ein feiner Kerl. Er hätte alles für uns und unser Wohl getan. Für mich ist es unvorstell­bar, dass er das Flugzeug vorzeitig verlassen hat, ohne noch etwa für uns tun zu können.“Was sich genau an Bord des Bombers am 21. November 1944 zugetragen hat, kann nicht mehr lückenlos aufgeklärt werden. Albert Steeves kann nicht mehr befragt werden, er starb vor knapp 20 Jahren. Ihm unterlasse­ne Hilfestell­ung oder gar Feigheit zu unterstell­en, ohne dafür sachliche Beweise vorlegen zu können, halte ich daher für unangemess­en und äußerst fragwürdig.

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