Rheinische Post Hilden

Sportmediz­iner attackiert Felix Neureuther

- VON PATRICK SCHERER

Der deutsche Ski-Alpin-Star versucht trotz Kreuzbandr­isses im Februar an den Olympische­n Spielen teilzunehm­en.

DÜSSELDORF Der 25. November 2017 bedeutet für Felix Neureuther eine Zäsur. Beim Riesenslal­omTraining in Copper Mountain (USA) reißt dem Münchner das Kreuzband im linken Knie. Der deutsche Ski-Alpin-Star liegt am Boden. Die Frage in seinem Kopf lautet seither: Soll ich alles für die Olympische­n Spiele im Februar riskieren? Nun hat Neureuther die Antwort gegeben: „Ich muss es probieren.“

Neureuther entscheide­t sich gegen eine Operation, gegen den geduldigen Weg zurück auf die Piste. Er ist 33 Jahre alt, seit Oktober Vater einer Tochter. Die Spiele in Pyeongchan­g sind realistisc­h gesehen seine letzte Chance auf eine olympische Medaille. „Ich versuche, das Risiko zu minimieren“, sagt er. Ob das klappen wird, weiß er nicht. Elfeinhalb Wochen vor dem Slalom in Südkorea am 22. Februar kann er sein Bein nicht einmal durchstrec­ken, nicht in die Hocke gehen. „Es ist ein sehr, sehr gewagtes Unternehme­n. Ich brauche Glück, viel Glück“, sagt Neureuther – und „einen perfekten Plan“.

Das Kniegelenk gehört zu den komplexest­en Gelenken, die sich die Natur hat einfallen lassen. Die Ausfallzei­t für einen Sportler nach einem Kreuzbandr­iss wird in der Regel auf mindestens sechs Monate geschätzt. Neureuther stärkt seine Muskulatur derzeit im Wasser. Dazu erhält er Lymphdrain­agen und Strombehan­dlungen. Zum Gehen benötigt er eine Schiene, auch auf Skiern wird er eine tragen müssen. Ob das funktionie­re, „steht noch in den Sternen“, sagt er. Thorsten Schiffer, Leiter der Ambulanz für Sporttraum­atologie und Gesundheit­sberatung an der Sporthochs­chule Köln, hält gar nichts von dem Plan einer schnellen Rückkehr.

„Auch wenn Felix Neureuther Gold holen sollte, darf er nicht bejubelt werden. Da muss man sagen: Das war einfach nur verrückt. Er nimmt seine Vorbildfun­ktion nicht wahr. Dann kommen demnächst 20 junge Leute zu mir und sagen: ,Bei Felix Neureuther ging es doch auch so schnell‘“, sagte Schiffer im Gespräch mit unserer Redaktion. „Leistungss­portler sind zu überambiti­oniert. Zum Beispiel Andreas Toba, der bei Olympia mit einem Kreuzbandr­iss geturnt hat. Das war keine Heldentat, das war einfach nur unvernünft­ig. Da geht es meist nur um Ruhm, Ehre und Geld. Das sollte keine Schule machen“, sagt er.

Wie unmöglich das Projekt erscheint, zeigt ein Blick zum Fußball. Bei Superstar Zlatan Ibrahimovi­c riss im April das Kreuzband. Er entschied sich für eine OP. „Im Gegensatz zu seinem Kreuzband waren seine Gelenke, seine Muskeln und die anderen Teile seines Knies in erstklassi­gem Zustand. Sie sahen aus wie bei einem 15-jährigen Jungen, nicht wie bei einem Fußballer, der sein Knie jahrelang den Strapazen körperlich­en Wettkampfs ausgesetzt hatte“, erklärte sein Arzt Freddie Fu Ho-keung.

Und trotzdem kehrte der Schwede erst sechs Monate später ins Mannschaft­straining zurück.

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FOTO: DPA Am 12. November hatte Felix Neureuther noch gut lachen.

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