Rheinische Post Hilden

Jeder Franzose kannte seine Lieder

- VON CHRISTINE LONGIN

Frankreich trauert um Johnny Hallyday. Die Rocklegend­e stand für die Geschichte der vergangene­n Jahrzehnte. „ Johnny National“begeistert­e mit seiner Musik und fasziniert­e die Menschen, indem er sich aus jedem Tal herausarbe­itete.

PARIS Um 3.10 Uhr in der Nacht schickte Emmanuel Macron sein Beileidssc­hreiben, das mit diesem Satz begann: „Wir haben alle etwas von Johnny Hallyday.“Weiter hieß es: „Von Johnny Hallyday werden wir weder den Namen, noch die Schnauze oder die Stimme vergessen.“Laeticia, die Frau des Sängers, hatte den Präsidente­n persönlich über den Tod des 74-Jährigen informiert. Der Rocker ist in der Nacht zu gestern an Lungenkreb­s gestorben und hat damit ein ganzes Land in Trauer gestürzt. Es gab Sondersend­ungen in Radio und Fernsehen, Trauerbeku­ndungen aus nah und fern und weinende Fans vor dem

„Als ich das erste Mal tot war, gefiel mir das nicht.

Deshalb bin ich zurückgeko­mmen“

Johnny Hallyday Haus des Mannes, der mit seinem Tod zum Nationalhe­iligen wurde. „Mit ihm zerbricht ein Teil der französisc­hen Geschichte“, schrieb die Zeitung „Le Monde“.

Fast sechs Jahrzehnte hatte „Johnny National“Musik gemacht. Generation­en von Franzosen rockten zu seinen Gitarrenkl­ängen und seiner dumpfen Stimme. Dabei schauten sie fasziniert auf das Leben des Mannes, der sich aus allen Tälern des Lebens immer wieder hochzuarbe­iten schien. Als Kind einer allein erziehende­n Mutter, aufgewachs­en bei einer Tante, lebte er die französisc­he Variante des amerikanis­chen Traums. Einer, der von ganz unten kam und trotz seines Erfolgs nicht die Bodenhaftu­ng verlor. Vier Ehen, zahlreiche Liebesgesc­hichten, Krankheite­n, Alkoholund Drogenexze­sse: All das bot der Liebling der Boulevard-Blätter seinen Landsleute­n.

Dabei war Johnny Hallyday ein lebendes Zeugnis der Geschichte Frankreich­s in den vergangene­n fünf Jahrzehnte­n. Vom Rock’n’Roll der 60er Jahre bis zu jenem Tag im Januar 2016, als der Musiker zum ersten Jahrestag der Anschläge auf „Charlie Hebdo“seine Hommage an die nationale Einheit besang – „Un Dimanche de Janvier“. Sein Auftritt an der Seite von Präsident François Hollande auf dem Platz der Republik war die Würdigung einer Karriere, die Jean-Philippe Smet, wie Hallyday eigentlich hieß, in den 60er Jahren begann. Er kam schon als Kind über seine Tante mit dem Showbusine­ss in Kontakt. Deren Mann gründete das Tanztrio „The Hallidays“, das ihm die Idee zu sei- nem Künstlerna­men gab. 1960 landete er – noch minderjähr­ig – mit „Souvenirs“den ersten Hit. Es folgten goldene Jahre, in denen der Jungstar Frankreich den Rock’n’Roll näher brachte. Danach kamen Blues und französisc­he Schnulzen wie „Que je t’aime“, die jeder Erwachsene in Frankreich kennt. Mehr als 100 Millionen Platten verkaufte der „französisc­he Elvis“.

Als seine erste Frau Sylvie Vartan, mit der er einen Sohn hat, 1969 die Trennung wollte, beging der Sänger einen Suizidvers­uch. 40 Jahre später war er dem Tod erneut nah, als er nach einer Bandscheib­enoperatio­n ins Koma fiel. „Als ich das erste Mal tot war, gefiel mir das nicht. Deshalb bin ich zurückgeko­mmen“, sagte er hinterher über diese Erfahrung. Zu Hunderttau­senden besuchten die Franzosen seine Konzerte wie im Jahr 2009, als er fast eine Million Fans am Fuß des Eiffelturm­s versammelt­e.

Trotz seiner nicht immer anspruchsv­ollen Liedtexte war Johnny ein Phänomen, das von allen Gesellscha­ftsschicht­en verehrt wurde. Seine höchste Ehrung könnte Hallyday nun mit einem Staatsakt erfahren. „Johnny Hallyday gehört zu den französisc­hen Helden“, sagte Macron. Er hatte den Rocker mit den Tätowierun­gen, den gefärbten Haaren und den mit Kajal umrandeten Augen im Sommer noch auf der Bühne erlebt. Zusammen mit seinen Freunden Eddie Mitchell und Jacques Dutronc war Hallyday als „Die alten Kerle“aufgetrete­n.

Damals wusste der Sänger bereits von seiner Krebserkra­nkung. „Auf der geliebten Bühne, auf der er noch vor wenigen Monaten trotz seiner Krankheit stand, hat er uns eine schöne Lektion des Mutes erteilt“, erklärte EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker. Johnny Hallyday, der so viele Krisen überstand, schien mehrere Leben zu haben. Deshalb hofften seine Fans, dass er auch den Lungenkreb­s überstehen würde. „Wir hatten die Überzeugun­g, dass er unbesiegba­r ist“, sagte Emmanuel Macron. Doch seinen letzten Kampf hat Johnny Hallyday verloren.

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