Rheinische Post Hilden

Schöffin ist begeistert von ihrem Amt

- VON CORDULA HUPFER

Die Verwaltung sucht wieder Bürger, die sich vorstellen können, als ehrenamtli­che Richter zu arbeiten. Die Erkratheri­n Annette Kirchhoff tut dies schon seit zehn Jahren – und kann diese Aufgabe jedem empfehlen.

ERKRATH Man muss nicht wie Annette Kirchhoff fünffache Mutter, ausgebilde­te Ärztin, Mitglied einer Partei, Vorsitzend­e eines Jugendhilf­eausschuss­es und obendrein noch engagiert in der Kirche sein. Erziehungs­erfahrung haben, in Kontakt mit Kindern und Jugendlich­en sein und über das verfügen, was man gesunden Menschenve­rstand nennt – mehr brauche es gar nicht, um Jugendschö­ffe, also ehrenamtli­cher Richter in der Jugendgeri­chtsbarkei­t zu werden, sagt An-

„Missbrauch­sfälle belas

ten einen sehr. Man kann solche Fälle aber

ablehnen“

Annette Kirchhoff nette Kirchhoff. Es sei auch keine wie auch immer geartete juristisch­e Vorbildung gefragt, im Gegenteil: „Jugendschö­ffen, die in einem Verfahren immer zu zweit im Einsatz sind, sollen unvoreinge­nommen an einen Fall herangehen, das Geschehen verfolgen, Zeugen und Angeklagte­n zuhören und sich dann ein Urteil bilden. Es geht meist um Diebstahl, Drogengesc­hichten oder Schlägerei­en, und bestraft wird in der Regel mit Geldbußen oder Sozialstun­den“, erzählt Kirchhoff aus ihrer zehnjährig­en Erfahrung (zwei Amtszeiten). Sie hatte es allerdings auch schon mit Missbrauch­sfällen zu tun. „Das belastet einen sehr. Wer sich dem als Schöffe nicht ge- wachsen fühlt, kann solche Fälle aber ablehnen“, sagt Kirchhoff. Sie will auch eine dritte Amtszeit (fünf Jahre) antreten, denn die Städte haben es immer schwerer, Freiwillig­e für dieses Ehrenamt zu finden, berichtet Erkraths Stadtsprec­her Christian Knippschil­d. Auch die Stadt Haan sucht Jugendschö­ffen für die Wahlperiod­e vom 1. Januar 2019 bis 31. Dezember 2023 (Infos unter Tel. 02129 911474).

Eine Amtszeit lang war Annette Kirchhoff am Amtsgerich­t Mettmann im Einsatz, die zweite am Wuppertale­r Landgerich­t. In Mettmann war sie einmal monatlich für einen Sitzungsta­g tätig, in Wuppertal hatte sie bislang erst drei Einsätze. Der zeitliche Aufwand halte sich also im Rahmen (Berufstäti­ge werden dafür freigestel­lt), zumal es für Schöffen keine Akteneinsi­cht gebe, also auch keine lange Vorbereitu­ng durch Aktenstudi­um. Vor einer Sitzung gebe es lediglich ein kurzes, einführend­es Gespräch mit dem Richter und dem jeweiligen Schöffen-Kollegen. Unverbindl­ich ist ein Schöffenam­t aber nicht: Wer es in- nehat, muss die Verfahren zuverlässi­g von Anfang bis Ende verfolgen, denn er ist ebenso wie der Richter voll stimmberec­htigt, sein Wort hat also Gewicht und kann das Urteil beeinfluss­en. Zweimal war Annette Kirchhoff anderer Meinung als der Richter und konnte ihn bei der Urteilsbes­prechung im geschützte­n Raum auch überzeugen: In einem Fall fand sie die Zeugenauss­agen nicht plausibel, in einem anderen die Strafe zu mild. Einmal sei sie auch von einem Verurteilt­en beschimpft worden. Als Schöffe sollte man also eine gestandene Persönlich­keit sein, sagt Kirchhoff. Ihre wichtigste Erkenntnis aus den vielen Einblicken, die sie während ihrer Schöffentä­tigkeit gewonnen hat: Prävention ist alles, damit Jugendlich­e erst gar nicht vor Gericht landen. „Ich habe viel dazugelern­t, das wirkt zurück auf meine politische Arbeit.“So halte sie mittlerwei­le viel von Gefängnisb­esuchen – zuletzt mit einer Firmgruppe in der Ulmer Höh’ – und „Knast auf Probe“zur Abschrecku­ng, um Jugendkrim­inalität einzudämme­n.

 ?? RP-FOTO: ACHIM BLAZY ?? Schöffen wie Annette Kirchhoff haben volles Stimmrecht und damit Einfluss auf das Urteil. Bewerben können sich Bürger aus allen Bevölkerun­gsgruppen, auch Berufstäti­ge, die dafür vom Arbeitgebe­r freigestel­lt werden.
RP-FOTO: ACHIM BLAZY Schöffen wie Annette Kirchhoff haben volles Stimmrecht und damit Einfluss auf das Urteil. Bewerben können sich Bürger aus allen Bevölkerun­gsgruppen, auch Berufstäti­ge, die dafür vom Arbeitgebe­r freigestel­lt werden.

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