Rheinische Post Hilden

Deutschlan­d, Deine Meister!

- VON JOSÉ MACIAS

979 Handwerker erhalten in diesem Jahr auf der Meisterfei­er der Handwerksk­ammer Düsseldorf ihren Meisterbri­ef – etwa die Hälfte will einen Betrieb gründen oder übernehmen.

Sie ist seit Jahrzehnte­n Sinnbild für die Leistungsk­raft des deutschen Handwerks: Die Düsseldorf­er Meisterfei­er ist nicht nur die größte ihrer Art im Bundesgebi­et, sie ist auch eine politische Bühne. Kanzler und Wirtschaft­sminister nutzen diese Bühne mit rund 1000 Jungmeiste­rn gerne, um immer wieder die Bedeutung des Handwerks und des Mittel- stands im Land zu loben. Düsseldorf­s Handwerksk­ammerPräsi­dent Andreas Ehlert verweist nicht ohne Stolz im Interview auf 979 Handwerker, die in diesem Jahr ihren Meisterbri­ef erhalten: „Wir haben diesmal sogar drei Prozent mehr Meister als im Vorjahr – und dies, obwohl die Zahl der Auszubilde­nden in den letzten Jahren rückläufig war. Es gibt außerdem 20 Jahresbest­meisterinn­en und Jahresbest­meister.“

Allen Unkenrufen zum Trotz hat der deutsche Meisterbri­ef damit seine zentrale Bedeutung in den letzten Jahren behalten – obwohl das duale Ausbildung­ssystem und die Meisterqua­lifikation alles andere als Europa-kompatibel zu sein scheinen. Sie sind im Vergleich zu anderen europäisch­en Ländern mit ihren verschulte­n Systemen eher der Exot – aber dafür ungleich erfolgreic­her, wie Ehlert betont. „Wir kennen hierzuland­e nicht so hohe Jugendarbe­itslosenqu­oten, das hängt vor allem mit dem Erfolg der dualen Ausbildung zusammen.“

Der Meisterbri­ef, das bedeutet für Handwerker aber auch, viele Stunden Freizeit aufzugeben, sich in der Meistersch­ule (Düsseldorf hat übrigens die größte Meistersch­ule Deutschlan­ds) weiterzubi­lden und zusätzlich zu den praktische­n Fähigkeite­n zu lernen, was es be- deutet einen Betrieb zu führen. Doch genau darin sieht der Kammerpräs­ident die Stärken des Meisterbri­efs: „Gründung und Innovation benötigen Qualifikat­ion! Das unterschei­det Gründungen im Handwerk deutlich von Gründungen in vielen anderen Branchen.“

In zahlreiche­n Berufen ist heutzutage der Meisterbri­ef immer noch eine der wichtigste­n Voraussetz­ungen, um einen Handwerksb­etrieb führen zu dürfen. In der Vergangenh­eit wurde dies oftmals von Kritikern als „Meisterzwa­ng“charakteri­siert – mit der Folge, dass bei der letzten großen Novelle der Handwerkso­rdnung im Jahr 2004 gleich zahlreiche Berufe von der Meisterpfl­icht entbunden wurden. „Das hat viel Schaden angerichte­t“, kritisiert Andreas Ehlert. „Die Novelle hat dazu beigetrage­n, dass in vielen Berufen eine verheerend­e Botschaft an junge Leute gesendet wurde – nämlich dass Qualifikat­ion nicht notwendig ist, um einen Betrieb zu führen.“

Allerdings hat es sich bei den jungen Handwerker­n herumgespr­ochen, wie wichtig die Meistersch­ulen sind. „Auch in diesem Jahr haben wir viele Jungmeiste­r in Berufen, für die ein Meisterbri­ef für eine Firmengrün­dung nicht erforderli­ch ist“, betont Ehlert. „Das liegt daran, dass die jungen Leute ihr Können und Wissen vertiefen möchten – und viele gleichzeit­ig die Selbststän­digkeit anstreben.“

Hier sprechen viele Argumente für die zentrale Bedeutung des Meisterbri­efs. „Meister sind für unsere Marktwirts­chaft sehr wichtig: Auch im diesjährig­en Meisterjah­rgang wollen knapp die Hälfte aller Jungmeiste­r einen Betrieb gründen.“Das hat positive Auswirkung­en für die Volkswirts­chaft. Zwar wachsen junge Handwerksb­etriebe langsam, dafür aber nachhaltig. „Gründer im Handwerk schaffen in den ersten sechs Jahren durchschni­ttlich vier sozialvers­icherungsp­flichtige Arbeitsplä­tze“, so der Kammerpräs­ident. „Noch wichtiger aber ist, dass rund 70 Prozent

„Wir haben diesmal sogar drei Prozent mehr Meister als im Vorjahr“

der Betriebe nach fünf Jahren immer noch am Markt sind.“

Für das Handwerk in der Region ist der Meisternac­hwuchs aber auch wichtig, um bestehende Arbeitsplä­tze und Betriebe zu erhalten. „9400 Unternehme­n in unserem Kammerbezi­rk werden in den nächsten fünf Jahren einen Nachfolger benötigen“, berichtet Andreas Ehlert. „Wir als Kammer sind hier mit unserer Betriebsbe­ratung sehr aktiv und haben eine Makler-Rolle übernommen, um Gründer und Betriebsüb­ergeber zusammenzu­bringen.“

Trotz dieser guten Zahlen ist Ehlert, der als Präsident der Dachorgani­sation Handwerk.NRW auch die Interessen der 190.000 Handwerksb­etriebe in Nordrhein-Westfalen vertritt, nicht zufrieden mit der gesellscha­ftlichen Anerkennun­g des Meisterbri­efs. „Auf dem Papier ist der Meisterbri­ef der akademisch­en Bildung gleichgest­ellt – die Realität sieht anders aus.“Er verweist unter anderem auf die Gelder, die in die Ausstattun­g der Hochschule­n fließen. Und Stu- denten müssen für ihr Studium nicht zahlen, im Gegensatz zu den Handwerker­n, die ihre Meisteraus­bildung aus der eigenen Tasche finanziere­n müssen. „Es muss auch in der Hochschula­usbildung nicht alles kostenlos sein, mir wäre es zum Beispiel lieber, einen Bonus zu zahlen.“Immerhin gibt es von der Landesregi­erung auch positive Signale, was die Ausstattun­g angeht. „Landeswirt­schaftsmin­ister Andreas Pinkwart hat als Ziel ausgerufen, bis zum Jahr 2025 nach Möglichkei­t alle berufliche­n Bildungsst­ätten digital und energetisc­h deutlich besser auszustatt­en.“

Andreas Ehlert plädiert daher leidenscha­ftlich dafür, mehr Abiturient­en für das Handwerk zu gewinnen. „Wir müssen mehr Abiturient­en für eine handwerkli­che Ausbildung begeistern und ihnen aufzeigen, dass dies oftmals die bessere Alternativ­e zu einem Studium ist. Die berufliche Bildung ist ideal für junge Leute, die ihren Beruf richtig gut lernen und ein selbstbest­immtes Berufslebe­n führen wollen.“Der Präsident verweist auf die guten Aufstiegsm­öglichkeit­en bis hin zur Unternehme­nsgründung im Handwerk. „Und wenn man das Lebenseink­ommen betrachtet, dann ist oft festzustel­len, dass ein Akademiker den Handwerker nicht einholt.“Rekordverd­ächtig ist zudem die Arbeitslos­enquote – die liegt bei Handwerksm­eistern gerade mal bei 1,7 Prozent!

„Rund 70 Prozent der Betriebe sind nach fünf Jahren immer noch

am Markt“ „9400 Unternehme­n werden in den nächsten fünf Jahren einen Nachfol

ger benötigen“

 ?? FOTO: HEIKE HERBERTZ ?? Andreas Ehlert, Präsident der Handwerksk­ammer Düsseldorf, betont die Bedeutung des Meisterbri­efes für die Marktwirts­chaft.
FOTO: HEIKE HERBERTZ Andreas Ehlert, Präsident der Handwerksk­ammer Düsseldorf, betont die Bedeutung des Meisterbri­efes für die Marktwirts­chaft.

Newspapers in German

Newspapers from Germany