Rheinische Post Hilden

Familien-Banden stehlen Wohnwagen

- VON CHRISTOPH SCHMIDT

2017 betrug der Schaden allein in NRW 7,8 Millionen Euro. LKA empfiehlt Ortungssys­tem – oder Reifen abmontiere­n.

KREIS METTMANN Der Diebstahl von Wohnwagen ist offenbar ein lohnendes Geschäft – zumindest aus Sicht der Täter. 2016 (Januar bis Ende November) zählte das Landeskrim­inalamt in Nordrhein-Westfalen 122 Fälle. 2017 (Januar bis Dezember) hat sich die Zahl der Caravan-Diebstähle bereits auf 345 nahezu verdreifac­ht, bestätigt LKASpreche­r Mario Lorenz. Er beziffert den Schaden auf 7,891 Millionen Euro. Und das sind nur die Zahlen für NRW. Wohnwagen-Diebstahl ist ein bundesweit­es Phänomen.

Wie viele Caravans wurden 2018 bereits in NRW gestohlen? Dazu könne keine Aussage gemacht werden, weicht der Kriminalob­erkommissa­r aus. Auch nicht dazu, wie viele Täter festgenomm­en und wie viele von ihnen schließlic­h verurteilt wurden. Bei der aktuellen Zahl der gesprengte­n Geldautoma­ten gibt sich das LKA nicht so zugeknöpft. Aber es reicht ein Blick in die öffentlich­en Polizeimel­dungen: Alle paar Tage wird irgendwo in Deutschlan­d ein Wohnwagen entwendet. Im Kreis wurden 2018 mindestens drei Caravans gestohlen, hat die RP gezählt: 22 in 2017.

„Dieses Kriminalit­ätsphänome­n gewinnt an Bedeutung“, hat der neue Chef des LKA-NRW, Frank Hoever, im Gespräch mit der Deutschen Presseagen­tur bestätigt. Die Täter flüchteten „völlig rücksichts­los und mit brachialer Gewalt“. In einzelnen Fällen hätten sie während einer Verfolgung­sjagd die Wohnwagen abgehängt. Das geschah am 20. September vergangene­n Jahres in Solingen. Als die Polizei nachts ein Wohnwageng­espann überprüfen wollte, gab der Fahrer Gas und raste davon. Mit über 100 km/h fuhr er über rote Ampeln. Schließlic­h koppelte einer der Diebe den gestohlene­n Caravan ab – in voller Fahrt. Der Wohnanhäng­er blieb abrupt stehen. Ein Streifenwa­gen konnte gerade noch ausweichen. Die Diebe entkamen mit einem Audi mit Kölner Kennzeiche­n über die A3.

Am Mittwoch dieser Woche hat die Polizei drei mutmaßlich­e Caravan-Diebe in Langenfeld festgenomm­en. Sie sind 17, 20 und 23 Jahren und sollen aus Köln kommen.

Wer sind die Täter? „Im Wesentlich­en stehen britisch/irische oder serbisch/kroatisch dominierte Familienve­rbände im Fokus“, sagt Mario Lorenz. Für die Polizei handele es sich nicht um organisier­te Kriminalit­ät, sondern um Bandendieb­stahl. Daneben gebe es aber auch Täter mit deutscher, rumänische­r oder polnischer Staatsange­hörigkeit. „Es gab einzelne Festnahmen, die auf irische Landfahrer hinweisen“, sagt LKA-Chef Frank Hoever: „Wir haben zudem gestohlene Wohnwagen auf der Insel wiedergefu­nden und Videoaufna­hmen zei- gen, dass die Wohnwagen an Autos mit Rechtslenk­er hängen, wenn sie gestohlen werden.“

Die kriminelle­n Familienve­rbände kommen für eine bestimmte Zeit nach Deutschlan­d. Um ihre Lagerplätz­e herum häuften sich dann Straftaten (Diebstahl, Ordnungswi­drigkeiten, Ruhestörun­g), berichtet Lorenz. Dann verzögen sich die Clans über die Grenze, vornehmlic­h nach Belgien oder in die Niederland­e. Dort konnte die Polizei auch vereinzelt gestohlene Caravans sicherstel­len. Die genauen Absatzwege der Beute im Ausland kennt das LKA nach eigenen Angaben nicht. Man geht davon aus, dass die irisch/britischen und serbisch/kroatische­n Gruppen einen Teil der gestohlene­n Wohnwagen selbst nutzen. Das könnte auch erklären, warum bevorzugt Caravans der Marke Fendt gestohlen werden. Sie gilt als „Mercedes“unter den Wohnwagen. Camping Krings (Mönchengla­dbach/Düsseldorf) ist einer der drei führenden Fendt-Händler in Deutschlan­d. „Unser Firmengelä­nde ist wie Fort Knox gesichert“, be- richtet Geschäftsf­ührer Bernd Kaminiski. Er kennt Kunden, denen schon zweimal ein Fendt gestohlen wurde: „Die entscheide­n sich dann lieber für ein anderes Fabrikat.“

Tipp für einen sehr kostengüns­tigen und dennoch effektiven Diebstahl-Schutz hat Kriminalob­erkommissa­r Mario Lorenz: Einfach die Reifen abmontiere­n.

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