Die Wachsmalerin
Sybille Pattscheck sendet mit ihren Farbbilderkästen Signale der Sinnlichkeit. Sie ist auf dem Sprung zur großen Karriere.
Die Kunst bewahrt ihr Geheimnis. Mit bloßem Auge gelingt es nicht, die Bilder von Sybille Pattscheck zu enträtseln. Ihr kostbarer Schimmer, ihre pure Farbe, ihre Räumlichkeit, bei der die Seiten der Bildfläche eine eigene Farbkomposition behaupten. Abstrakte Malerei kann betörend sein. Mehr als schön und gekonnt. Betörung als Ergebnis eines wohlkalkulierten Prozesses.
Hans Strelow ist ein alter Hase, seit 1971 in Oberkassel ansässig, zählt er zu den Grandseigneurs, den wenigen Galeristen im Rheinland, die über Jahrzehnte ihr Programm konsequent verfolgen und ihren Künstlern absolut treu bleiben. Nun hat sich Strelow, wie er erzählt, tatsächlich durch Zeitungsberichte anregen lassen, sein Programm der großen Stars zu unterbrechen mit einem Intermezzo des Noch-nichtso-bekannten. Die Farbmalerei von Sybille Pattscheck wurde mehrfach positiv besprochen. In einer Zeitung war zu lesen: „Ihren Namen sollten sich Kenner und Käufer merken. Die Meisterschülerin von Ulrich Erben kommt gerade groß heraus.“Auf dem Sprung zur großen Karriere?
Strelow wurde neugierig und schaute sich in der Großen Kunstausstellung im Kunstpalast um, anlässlich derer Pattscheck in diesem Jahr der Kunstpreis verliehen wurde. Tatsächlich gefiel Strelow, bei dem normalerweise Riesen wie Frank Stella oder Imi Knoebel ausgestellt werden, das Werk der gebürtigen Niederrheinerin. Er besuchte sie in ihrem Atelier, das in Pulheim liegt, und wenig später lud er sie zur Einzelausstellung an den Luegplatz. Es ist eine Einladung für junge Sammler geworden und für Liebhaber der Farbmalerei, Strelow ist kein Risiko eingegangen. Erstens sind die Bilder erschwinglich, zweitens unverwechselbar, drittens ist es die denkbar beste Nachfolgeausstellung für Ulrich Erben. Aus der Ferne nehmen die nur monochrom scheinenden Gemälde in der Galerie Strelow die Sinne gefangen. Im Hautton oder himmelblau, beinahe schwarz oder rosafarben wie wohlduftende Macarons. Gar nicht monochrom sind sie, das sieht man aus der Nähe, die Anzahl der mitglänzenden Farben lässt sich schwer schätzen. Über die Augen geht der Reiz zum Gemüt, sanft getönt, in parallelen Pinselstrichen. Am delikatesten ist der Blick auf ein Bild von schräg-seitlich aus.
Pattscheck hat das Malen ganz offensichtlich bei Erben studiert, das war vor nun schon 30 Jahren. Damals malte der berühmte Düsseldorfer Künstler noch nicht so beherrscht und minimal wie heute. Und ausgerechnet heute gleicht sich beider Werk in wichtigen Parametern – während es in anderen deutlich voneinander abweicht. Tanzt bei Ulrich Erben die Farbe eigenständig über den Bildrand hinaus, begrenzt und umfängt Pattscheck die Vorderfläche ihres Bildes mit einem Farbkranz. Das geht nur, weil sie keine Leinwand nimmt, sondern Acrylglas bemalt, das sie in räumlich nicht allzu tiefen Kästen als Untergrund wählt.
Pattscheck ist eine moderne Alchemistin, bezieht sich auf eine uralte Maltechnik, die man Enkaustik nennt. Zum Malen nimmt man dabei Wachs, den sie mit Farbpigmenten anreichert und in zügigen Pinselstrichen aufbringt. Ein zartes ungefärbtes Wachsgeflecht grundiert das Glas wie ein Gerüst fürs Licht. Kein Motiv, wenig Struktur, die Faszination der reinen Farbe ist das Ziel. Es geht um Licht und ums Leuchten. Dass ein Dialog der Farben entsteht. Wenige oder mehrere Schichten setzt die Künstlerin übereinander, den Effekt wohl kalkulierend. Bei etwa 60 Grad ist der Wachs streichfähig. Sein wohliger Duft ist die Begleiterscheinung, die nie ganz verfliegt.
Das Bild ist zweigeteilt, es durchleuchtet sich selbst. Transparenz wird zur Tugend. Der Endpunkt des Malens ist erreicht, wenn sich die Künstlerin im Gleichklang mit ihrem Bild befindet. Die gefundene Farbe – ein Kissen, ein Kosmos, eine Landschaft – kann vielerorts ihren Ursprung haben. Nicht auszuschließen, dass Horizont und Himmel am Niederrhein Pattschecks Spiel mit dem Licht animieren.