Der Tunnelbau zu Hambach
Der Kerpener Kurt Claßen hat seine Wiese am Hambacher Forst Klima-Aktivisten für ein Camp zur Verfügung gestellt. Auf dem Gelände entdeckte die Polizei Tunnel mit Quergängen, die schon seit Jahren bestehen.
KERPEN Kurt Claßen steht auf seiner Wiese, die an den Hambacher Forst grenzt. Der Energiekonzern RWE will diese Wiese kaufen – Claßen verlangt dafür rund 32 Milliarden Euro. Diesen Ertragswert hat er mit der Immobilienwerte-Ermittlungsverordnung berechnet. Zugrunde gelegt hat er einen von ihm geschätzten Jahresumsatz von rund vier Milliarden Euro, den RWE mit Braunkohle erwirtschaftet – und für den Tagebau Hambach braucht der Konzern auch Claßens Wiese.
Der Kerpener hat Klimaaktivisten erlaubt, auf seinem 2500 Quadratmeter großen Gelände mit direktem Zugang zum Forst ein kleines Dorf aus Holzhütten, Wohnwagen und Zelten zu errichten. Vor rund zwei Wochen, am 28. August, hat es dort eine Durchsuchung der Polizei gegeben. Drei Erdlöcher wurden entdeckt. Diese sind in einem internen Einsatzbericht als Einstiegsluken in einen Tunnel und als Erdlöcher bezeichnet worden. „Bei der Einstiegsluke handelte es sich um einen Eintrittsschacht in eine Tunnelanlage“, sagt Claßen. „Die Polizei hat diesen Schacht und die damit verbundenen Gänge mit Beton verfüllen lassen.“In einer Presserklärung der Aachener Polizei vom 28. August 2018 heißt es: „Unter mehreren Baracken entdeckten die Durchsuchungskräfte tiefe Löcher, augenscheinlich als geplantes Tunnelsystem angelegt. Diese wurden zur Gefahrenabwehr mit Beton verfüllt.“
Claßen kennt auch einen Tunnel auf diesem Gelände. Den, den er meint, entdeckte die Polizei am 11. April 2016 bei einer Razzia. „Da habe ich zum ersten Mal Kenntnis davon erlangt.“Er sei dann als Eigentümer des Grundstückes vom zuständigen Bauamt Düren aufgefordert worden, den Tunnel mit Beton zu verfüllen. „Der Eintrittsbereich war mit einer Tiefe von etwa zwei bis drei Metern vorhanden. Dann zweigte ein Durchgang ab. Der weitere Verlauf des Stollens wurde nicht mehr erkundet“, heißt es in einem behördlichen Schreiben der Kreisverwaltung. „Plastikrohre ragten aus dem Tunnel hervor und dienten wohl der Belüftung und eventuell auch der Verständigung.“Der Tunnel sei zumindest teilweise mit Holz und Beton verstärkt worden.
Die zuständige Polizei Düren bestätigt die Entdeckung vom 11. April 2016. „In einer Lehmhütte wurde ein Aushub festgestellt, der den Blick in einen etwa drei Meter tiefen Schacht freigab. Dieser Schacht führte weiter in einen Gang, der lediglich in Kriechstellung aufgesucht werden konnte“, sagte Dürens Polizeisprecherin Melanie Arenz auf Anfrage unserer Redaktion am Dienstag. „Von diesem Gang führte ein weiterer Abgang in die Tiefe.“Weitere gesicherte Erkenntnisse über den Schacht und den Kriechgang wurden nicht erlangt.
Claßen ist selbst im April 2016 in den Tunnel gestiegen. „Ich bin mit einer Lampe da runter. Bis zum Ende des Quertunnels. Und dann gab es einen weiteren Schacht, der etwa zwei bis drei Meter breit war“, sagt er. „Von dort ging es dann wieder in die Tiefe. Da bin ich dann aber nicht mehr weiter, weil ich da wohl kaum alleine rausgekommen wäre.“
Claßen weigerte sich, den Tunnel mit Beton zu verfüllen. „Das wären 15 bis 20 Kubikmeter gewesen. Der Boden wäre dann für eine mögliche spätere landwirtschaftliche Nutzung unbrauchbar gewesen“, sagt er. „Darum habe ich den Tunnel nicht verfüllt, sondern ihn stattdessen fachgerecht von einem Tischlermeister mit Holz abdecken und versiegeln lassen.“Nun aber hat er festgestellt, dass die Polizei den versiegelten Eintrittsschacht am 28. August 2018 wieder geöffnet hat und diesen „und die damit verbundene Tunnelanlage mit Beton verfüllt hat“, so der Kerpener.
Die Behauptung, der Tunnel erinnere an die des Viet Cong in Vietnam, wie ein Polizist unserer Redaktion gesagt hatte, hält er jedoch für übertrieben und verfehlt. „Ich erinnere mich aber an das Modell einer großen Tunnelanlage aus dem Hambacher Forst. Dieses Modell stammt aus einer mir vorliegenden Polizeiakte und bezieht sich auf einen Tunnel, der 2012 entdeckt und geräumt worden ist“, so Claßen. Damals wurde ein Aktivist von der Polizei nach Tagen aus sechs Metern Tiefe geholt.
Der Hambacher Forst ist von der Polizei zu einem „gefährlichen Ort“erklärt worden. Das heißt, dass die Polizei dort verdachtsunabhängig Personen- und Fahrzeugkontrollen durchführen kann. Die gesamte Gegend ist von der Polizei abgeriegelt. An allen wichtigen Straßen gibt es Kontrollstellen. Ohne Personalausweis kommt keiner weiter.
Friedliche Demonstranten lassen sich aber von den Polizeikontrollen nicht abschrecken. Auch am Mittwoch riss der Zustrom nicht ab. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und Greenpeace haben Wohnwagen aufgebaut, am Dienstag machte sich der Grünen-Bundestagsabgeordnete Anton Hofreiter ein Bild von der Situation.
Indes ist ein Treffen zwischen dem Energiekonzern RWE und Umweltschutzverbänden zum Hambacher Forst ergebnislos zu Ende gegangen. Die Gespräche hätten keine Annäherung gebracht, teilte Greenpeace mit. Greenpeace, der BUND und der Deutsche Naturschutz Ring (DNR) hätten gefordert, die geplanten Rodungen auszusetzen, bis die derzeit tagende Kohlekommission ihre Arbeit abgeschlossen habe. RWE habe bei dem Treffen am Montag vorgeschlagen, erst ab dem letzten geplanten Sitzungstag der Kohlekommission am 15. Dezember mit dem Fällen der Bäume zu beginnen. Dafür sollten die Verbände im Gegenzug aber die Rodung des Waldes öffentlich akzeptieren.