Die armen Kerle
Die Münchner Spitzenspieler Boateng und Lewandowski sind sich einig: Ihr Verein unterstützt sie zu wenig. Dabei wollten sie nur anderswo mehr verdienen.
Jerome Boateng und Robert Lewandowski sind ganz arme Kerle. Da hauen sie über Jahre ihre Knochen für ein paar Milliönchen im Monat zum Wohle des Arbeitgebers in die Mühle des Profifußballs. Und wenn sie sich dann mal auf den Markt stellen, weil sie anderswo ein paar Milliönchen mehr herausschlagen wollen, findet sich der Arbeitgeber nicht bereit, die liebenswerte Persönlichkeit der Arbeitnehmer zu preisen.
Lewandowski und Boateng haben deshalb fast wortgleich darüber geklagt, dass der Verein Bayern München ihnen die Rückendeckung verweigere. Lewandowski hat bejammert, dass niemand aus der Klubspitze ein Bekenntnis abgelegt habe, das seinen unschätzbaren Wert für die Münchner Mannschaft unterstreiche. Der Zeitpunkt dieser Äußerung ist so bemerkenswert wie Lewandowskis Spiel. Der Stürmer heulte nämlich tief getroffen auf, nachdem der Wechsel zu Real Madrid gescheitert war. Um diesen Transfer in die Wege zu leiten, hatte der Spieler Ende Mai einen Agenten verpflichtet. Da war ihm übrigens noch nicht aufgefallen, dass er unter Missachtung durch die Münchner Bosse litt.
Der Kollege Boateng nun liebäugelte sehr mit einem Wechsel zu Paris St. Germain. Die jüngere Fußballgeschichte lehrt, dass dieser Wechsel ebenfalls gescheitert ist. Über die Gründe dafür wurde natürlich öffentlich spekuliert. Dabei stellte sich unter anderem eine Frage: Warum ist einer der besten Verteidiger der Welt in den vergangenen (sagen wir vier) Jahren von der Formkurve abgekommen, die so steil nach oben zeigte?
Die Münchner Sachverständigen im Bereich der Bayern-Führung argwöhnten, es könne damit zu tun haben, dass aus dem Fußballer Boateng in dieser Zeit ein großer Geschäftsmann wurde – mit einer eigenen Brillenmarke und einer Vermarktung seiner Person in den USA, die unter europäischen Fußballern vergeblich ihresgleichen sucht. Der leise Vorwurf: Boateng kümmere sich zu wenig um sein Kerngeschäft. Auf dem Rasen hat er dieses Urteil seit der WM 2014 immer seltener widerlegen können. Vielleicht hat das auch Paris St. Germain erkannt.
Boateng ist jetzt beleidigt. Vorgeblich über seine Kluboberen, deren Mutmaßungen von zahlreichen Experten geteilt werden. In Wirklichkeit aber darüber, dass sein Arbeitsort München bleibt. Dabei hätte er so gern seinen beruflichen Horizont erweitert, neue Menschen und eine neue Stadt kennengelernt. So sagen das die Ich-AGs im großen Sport, wenn es sie drängt, irgendwo anders das Bankkonto noch ein bisschen üppiger zu befüllen. Darüber haben die Münchner Vereinsbosse übrigens nicht geredet. Taktvoll.