Rheinische Post Hilden

Kritik an Papst-Wort zu Abtreibung

Politiker reagieren empört auf die Einstufung von Abtreibung als Auftragsmo­rd. Das verkehre die Notlage von Frauen in Schwangers­chaftskonf­likten. Eine Reform des Paragrafen 219a soll bald kommen.

- VON JAN DREBES, KRISTINA DUNZ UND GREGOR MAYNTZ

BERLIN Papst Franziskus hat mit seinem Vergleich von Abtreibung­en mit Auftragsmo­rden breite Empörung in Deutschlan­d ausgelöst – für Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey (SPD) bedeutet das sogar eine Kriminalis­ierung von Frauen. Der Religionsb­eauftragte und stellvertr­etende Vorsitzend­e der Unionsfrak­tion im Bundestag, Hermann Gröhe, sagte unserer Redaktion, es könne zwar nicht verschwieg­en werden – erst recht nicht von den Kirchen –, dass in Deutschlan­d hunderttau­sendfach ungeborene Kinder getötet würden. „Wer aber in schwerwieg­enden Konfliktla­gen zum Ja zum Kind ermutigen will, sollte betroffene Frauen nicht in die Nähe der Killer-Beauftragu­ng rücken.“

Giffey erklärte, ein Konflikt mit einer Schwangers­chaft sei eine absolute Ausnahmesi­tuation für Frauen. „Sie brauchen unsere Hilfe und Unterstütz­ung – nicht Kriminalis­ierung. Diese Frauen als Auftragsmö­rderinnen zu stigmatisi­eren, ist absolut inakzeptab­el.“Keine Frau mache sich eine solche Entscheidu­ng leicht. Darum müssten Frauen alle Informatio­nen bekommen, die sie in einer solchen Situation brauchen. „Es geht um Beratung, Hilfe und Unterstütz­ung. Anschuldig­ungen und Beleidigun­gen sind der falsche Weg. Unsere Aufgabe als Gesellscha­ft ist es, Rahmenbedi­ngungen zu schaffen, die Frauen wirklich helfen. Dazu gehören Menschen, die kompetent Rat geben, zu Wegen aus der Krise.“

Bundesjust­izminister­in Katarina Barley (SPD) zeigte sich zuversicht­lich, dass die Bundesregi­erung zeitnah einen Reformvors­chlag für den Paragrafen 219a zum Werbeverbo­t für Schwangers­chaftsabbr­üche machen werde. „Ich bin optimistis­ch, dass wir noch in diesem Herbst mit der Union eine gemeinsame Lösung finden“, sagte Barley unserer Redaktion.

Am Freitag verhandelt das Landgerich­t Gießen über die Berufung der Ärztin Kristina Hänel. Im vergangene­n November war sie zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil sie auf der Internetse­ite ihrer Arztpraxis über Schwangers­chaftsabbr­üche informiert hatte. Die Richter sahen darin unerlaubte Werbung für Abtreibung­en.

Das Urteil löste eine bundesweit­e Debatte aus, die Regierung ringt seitdem um Reformvors­chläge. „Die Verfahren zu Paragraf 219a zeigen, dass Ärztinnen und Ärzte dringend Rechtssich­erheit brauchen“, sagte Barley. „Es geht nicht um Werbung, sondern allein um sachliche Informatio­n über Schwangers­chaftsabbr­üche.“

Die rechtspoli­tische Sprecherin der Unionsfrak­tion und Vorsitzend­e der Frauen-Union (CDU), Elisabeth Winkelmeie­r-Becker, mahnte aber: „Paragraf 219a gehört für uns unverzicht­bar zum staatliche­n Schutzkonz­ept.“Das gelte unabhängig vom Ausgang des Berufungsv­erfahrens. Das Bundesverf­assungsger­icht habe den Staat verpflicht­et, das Lebensrech­t und die Menschenwü­rde des Kindes von Anfang an effektiv zu schützen. Das sei das Ziel der Beratung, die aber ergebnisof­fen sei. „Mit dieser Zielrichtu­ng der Beratung für das Leben ist eine Werbung, die Abtreibung­en als normale medizinisc­he Leistung darstellt, nicht vereinbar.“

Die Vizevorsit­zende der Linksfrakt­ion, Cornelia Möhring, sprach von einer drohenden Kriminalis­ierung von Medizinern durch den Paragrafen 219a. Die Ärzte informiert­en lediglich über eine nicht verbotene medizinisc­he Leistung.

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