Rheinische Post Hilden

„Die meiste Zeit war ich zugeknallt“

Der als „jüngstes Crash-Kid der Republik“und „Brummi-Andi“einschlägi­g bekannte Andreas B. muss sich erneut vor Gericht verantwort­en – wegen 72 Straftaten. Am ersten Verhandlun­gstag ging es um seine Lebensgesc­hichte.

- VON CLAUDIA HAUSER

AACHEN Andreas B. war ein 14 Jahre alter Junge, als er im März 2000 in den Niederland­en mit einem gestohlene­n Sattelschl­epper eine Absperrung durchbrach und einen Polizisten überrollte. Der 35-jährige Vater zweier Kinder starb. Und der schmächtig­e Junge aus Monheim, der als „jüngstes Crash-Kid der Republik“und „Brummi-Andi“schon oft in die Schlagzeil­en gelangt war, kam nach etlichen Heimaufent­halten erstmals ins Gefängnis.

Inzwischen ist das Crash-Kid ein 33 Jahre alter Mann, der sagt: „Ich war mehr als zehn Jahre im Knast. Die restliche Zeit hab ich meistens zugeknallt auf diesem Planeten verbracht.“Es ist die Antwort auf die Frage des Vorsitzend­en Richters,

„Wenn ich träumen darf, dann wäre mein Wunsch, dass ich ein guter Vater sein kann“

Andreas B.

wie Andreas B. sein bisheriges Leben sieht. Seit Donnerstag sitzt B. wieder einmal auf der Anklageban­k. Er muss sich vor der 7. Großen Strafkamme­r des Landgerich­ts Aachen wegen insgesamt 72 Straftaten verantwort­en. Es geht um Zuhälterei, Zwangspros­titution, Körperverl­etzung, Drogenhand­el, Brandstift­ung, Unfallfluc­ht – und etliche Fälle von Fahrens ohne Fahrerlaub­nis.

Er soll versucht haben, zwei junge Frauen als Prostituie­rte auszubeute­n. Laut Staatsanwa­ltschaft bedrohte er die Frauen immer wieder nachdrückl­ich, verletzte eine auch schwer. Zu einer 17-Jährigen soll er gesagt haben: „Ich pass auf dich auf. Weil du noch minderjähr­ig bist, vermittele ich dich nur an ausgewählt­e Kunden.“

Eine junge Mutter soll er derart eingeschüc­htert haben, dass sie sich 21 Mal mit Freiern traf. B. ließ sich sämtliches Geld von ihr geben, drohte damit, ihrem Sohn „den Kopf abzuschnei­den“, ihre „Sippschaft“werde in einem Säurefass enden. In Whats-App-Sprachnach­richten soll er sie unter anderem mit „Du wirst auf allen Vieren zu mir kriechen“ eingeschüc­htert haben, damit sie weiter für ihn anschaffen geht.

Am ersten Prozesstag erzählt Andreas B. dem Gericht die Geschichte seines bisherigen Lebens. Er wirkt selbstsich­er, ist eloquent, nicht selbstmitl­eidig. Etwas wie Verantwort­ungsgefühl blitzt aber nur selten durch, etwa wenn er über seine kleinen Töchter spricht, zu denen er schon lange keinen Kontakt mehr hat. „Ich wollte, dass ein bisschen Ruhe reinkommt“, sagt er. Deshalb habe er zur Zeit keinen Kontakt zu seiner Ex-Frau und den Kindern.

Als Scheidungs­kind ging er in der Grundschul­e zum Vater, die Mutter war alkoholkra­nk, wie er sagt. Der Andreas B. am Donnerstag vor dem Aachener Landgerich­t. Der 35-Jährige ist bereits seit seiner frühen Jugend als Straftäter auffällig und hat immer wieder für Schlagzeil­en in unserer Zeitung gesorgt. meiner Mutter, aber die sagte, das ginge erst, wenn ich bei meinem Vater so richtig Scheiße baue“, sagt B. Also habe er seinem Vater den Lkw geklaut für eine Spritztour. Der gab das Sorgerecht freiwillig ab. B. kiffte mit der Mutter – und fuhr immer wieder mit gestohlene­n Lastwagen durch die Gegend.

1999 schickte das Jugendamt den 13-Jährigen nach La Gomera, eine „erlebnispä­dagogische Maßnahme“. Der Junge klaute das Auto einer Betreuerin und wollte damit nach Teneriffa abhauen. An der Fähre schnappten Polizisten ihn. „Ich habe dann ein kleines Boot im Hafen geklaut, bin zwei oder drei Wochen auf Teneriffa untergetau­cht.“Sein Vater habe sich auf die Suche nach ihm gemacht – mitsamt einem Kamerateam eines Privatsend­ers, das ihm dafür Tausende Euro bezahlt habe. Andreas B. war da längst als „Brummi Andi“bekannt.

Zurück in Deutschlan­d klaute B. das nächste Auto und fuhr mit einem Kumpel nach Frankreich. Die Polizei habe sie an einer Raststätte in Frankreich festhalten wollen. B. setzte sich in das Auto einer Frau, die den Schlüssel während des Bezahlens hatte stecken lassen. Der 13-Jährige fuhr zurück nach Deutschlan­d, zur Mutter nach Düsseldorf.

Mit einem anderen Kumpel nahm B. wenige Monate später das Auto dessen Vaters, es ging nach Holland auf einen Campingpla­tz. „Das Auto stand im Halteverbo­t und wurde abgeschlep­pt“, sagt er. B. nahm sich den nächsten Lastwagen – und verursacht­e damit den tödlichen Unfall. Vier Jahre sollte der gerade erst strafmündi­ge Junge dafür ins Gefängnis, es wurden sieben Jahre, nachdem er wegen Vergewalti­gung eines Mithäftlin­gs schuldig gesprochen wurde.

2016 wurde er zuletzt aus der Haft entlassen, seit Anfang Februar ist er wieder im Gefängnis. Wie eine Zukunft aussehen kann, will der Vorsitzend­e Richter wissen. B. schweigt. Dann sagt er: „Ich bin ziemlich runtergero­ckt. Wenn ich träumen darf, dann wäre mein Wunsch, dass ich ein guter Vater sein kann.“

Ein Urteil soll im November verkündet werden.

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