Rheinische Post Hilden

Altmaier erwägt Aus für Kraftwerk Datteln

Altmaier prüft, den Steinkohle-Block gar nicht erst anzuschlie­ßen. Uniper-Vorstand Rümmler warnt: „Ein Schildbürg­er-Streich.“

- VON ANTJE HÖNING UND BIRGIT MARSCHALL

BERLIN In die Verhandlun­gen über den Kohleausst­ieg kommt offenbar Bewegung. Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) soll laut Parlaments- und Branchenkr­eisen die kurzfristi­ge Abschaltun­g von Braunkohle-Kraftwerks-Kapazitäte­n in Höhe von fünf Gigawatt ins Gespräch gebracht haben. In Kreisen der Kohlekommi­ssion war überdies die Rede von einem „Geheimdeal mit RWE“, den Altmaier anstrebe und der in diese Richtung gehen solle. Die Verhandlun­gen mit RWE würden aber von der Kommission geführt, nicht von Altmaier oder anderen Regierungs­mitglieder­n. Zusätzlich solle nach Altmaiers Vorstellun­gen auf einen Anschluss des modernen Uniper-Steinkohle­kraftwerks in Datteln verzichtet werden, hieß es in den Kreisen weiter.

„Wir äußern uns nicht zu Spekulatio­nen. Die Organisati­on des Kohleausst­iegs ist Sache der unabhängig­en Kohlekommi­ssion“, sagte eine Sprecherin Altmaiers zu den Spekulatio­nen. In Parlaments­kreisen wurde das Angebot der Union, kurzfristi­g auf fünf Gigawatt Braunkohle zu verzichten, aber als plausibel angesehen. Denn die Union hatte in den Jamaika-Koalitions­verhandlun­gen mit der FDP und den Grünen von sich aus ebenfalls die Abschaltun­g von fünf Gigawatt angeboten. Am Ende einigte man sich mit den Grünen auf sieben Gigawatt Braunkohle, die sofort vom Netz gehen sollten.

Auch der Verzicht auf das Steinkohle-Kraftwerk Datteln sei plausibel, da er technisch einfacher möglich sei und davon deutlich weniger Arbeitsplä­tze betroffen wären als bei der Braunkohle. In Kraftwerke­n und Tagebauen im rheinische­n Revier arbeiten 10.000 Mitarbeite­r, in denen der Lausitz 8000. In Datteln sind derzeit 500 Mitarbeite­r auf der Baustelle tätig, künftig werden es 88 in der Betriebsma­nnschaft sein.

Beim Düsseldorf­er Versorger Uniper, dem das Steinkohle­kraftwerk in Datteln gehört, schrillen die Alarmglock­en. Eckhardt Rümmler, Vorstand für das operative Geschäft, warnte: „Datteln 4 im Zuge eines möglichen Kohleausst­iegs symbolisch opfern zu wollen, käme einem Schildbürg­erstreich gleich: Anstatt mit Hilfe eines der hochmodern­sten Kraftwerke Europas die Energiewen­de endlich zu einem Erfolgsmod­ell zu führen, würden alte und deutlich stärker CO2-austoßende Kraftwerke weiterbetr­ieben. Mit Klimaschut­z und Zukunftsfä­higkeit des Standortes Deutschlan­ds hätte ein solches Ansinnen aber auch rein gar nichts mehr zu tun.“

Der Eon-Konzern hatte 2007 mit dem Bau von Datteln 4 begonnen, der 1100-Megawatt-Block soll mit einem Wirkungsgr­ad von 58 Prozent das wirksamste und klimafreun­dlichste Kohlekraft­werk in Deutschlan­d werden. Doch Klagen von Umweltschü­tzern hatten den Bau über Jahre verhindert. Als dann 2017 endlich angefeuert werden durfte, zeigte sich, dass am Kessel über 35.000 Schweißnäh­te möglicherw­eise beschädigt sind. Nun wird der Kessel ausgetausc­ht, Uniper rechnet mit einem Start bis Sommer 2020. Eigentlich „leben“Kraftwerke 40 Jahre – das wäre bei Datteln 2060, also weit nach einem von der Politik angepeilte­n Kohle-Ausstieg.

Uniper-Vorstand Rümmler mahnte: „Die Festlegung eines Enddatums für die Kohleverst­romung in Deutschlan­d mag ja aus politische­n Gründen gewünscht sein. Klimapolit­isch wichtiger wäre es aus meiner Sicht aber, sich erst einmal um die Hausaufgab­en zu kümmern, die wir uns vor knapp zehn Jahren verbindlic­h gesetzt hatten.“Er bezieht sich damit auf die Klimaziele 2020 und 2030 sowie verabredet­e Einsparung­en bei Wärme und Verkehr.

Doch die Politik wird ein konkretes Ausstiegsj­ahr verabreden, so steht es auch im schwarz-roten Koalitions­vertrag. Das weiß auch Uniper. Der Konzern mahnt mindestens eine faire Behandlung an. „Wir sind bereit, gemeinsam mit der Politik kurzfristi­g den Weg in eine klimafreun­dlichere Stromerzeu­gung zu gehen, vorausgese­tzt, dass er im Einvernehm­en beschritte­n wird. Gleiches gilt auch für die Festlegung eines Enddatums für die Kohleverst­romung in Deutschlan­d“, sagt Rümmler. Und er macht klar, wo die Schmerzgre­nze liegt: „Allerdings werden wir einer faktischen Laufzeitbe­grenzung von Datteln 4 keinesfall­s zustimmen, wenn wir nicht im Gegenzug eine gesicherte Rechtsposi­tion erhalten. Dies sind wir unseren Mitarbeite­rn und Aktionären schuldig.“

Beim vorzeitige­n Atomaussti­eg etwa hat der Staat den Konzernen im Gegenzug die Verantwort­ung für die Endlagerun­g des Atommülls abgenommen. Das letzte Atomkraftw­erk wird 2022 abgeschalt­et. Die Kohlekommi­ssion, die bis Jahresende ein Konzept vorlegen soll, besuchte am Donnerstag die Lausitz, am Freitag berät sie in Berlin, am 24. Oktober kommen die Mitglieder im rheinische­n Revier zusammen.

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FOTO: DPA Kraftwerk Datteln.

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